Banana Yoshimotos Erzählband „Mein Körper weiß alles“ ist für mich eher eine Liebe auf den zweiten Blick: Direkt nach der Veröffentlichung habe ich das Buch verschlungen und war wenig beeindruckt. Bei der zweiten Lektüre für die Rezension habe ich mir Zeit gelassen und fand die Erzählungen weitaus bezaubernder. Freilich sind immer noch Erzählungen darunter, mit denen ich nicht so richtig warm werde. Doch nun ist auch bei „Mein Körper weiß alles“ der Banana Yoshimoto-Funke übergesprungen, der beim erstmaligen Lesen kein bisschen geglimmt hat. Man lernt halt nie aus: Für Banana Yoshimotos Erzählungen muss man sich wohl einfach mehr Zeit nehmen.
Besonders herzlich empfand ich „Der grüne Daumen“: Durch den Tod der Großmutter überdenkt die Ich-Erzählerin, die in einer Bar arbeitet, ihre Lebensziele. Sie merkt, sie hat den grünen Daumen der Großmutter geerbt und setzt sich zum Ziel, einen Blumenladen zu eröffnen. Die Pflanzen werden es ihr danken.
Oder auch „Papas Spezialität“: In einer Berghütte möchte sich die Ich-Erzählerin regenerieren. Nachdem ihr Freund eine Kollegin geschwängert hat, kündigt sie und versucht sich abseits der Urbanität über ihre Gefühle klar zu werden.
„Mumie“ ist dagegen eine eher untypische Banana Yoshimoto-Erzählung. Hätte man mir weisgemacht, sie stamme aus der Feder von Yoko Ogawa, so hätte ich das sicherlich geglaubt: Denn es geht ein bisschen gruslig zu, wenn die Ich-Erzählerin von einem knochigen Archäologie-Studenten abgeschleppt wird. Er will sie weder gehen noch mit ihren Eltern telefonieren lassen. Stattdessen haben die beiden tagelang Sex, die Ich-Erzählerin gibt sich ihm völlig hin. Schließlich zeigt der Student ihr seine selbst mumifizierte Katze – als er im Anschluss auf ihren Bauch blickt, schwant ihr, dass er mit dem Gedanken spielt, auch sie zu mumifizieren.
Zehn weitere Banana Yoshimoto-Erzählungen enthält „Mein Körper weiß alles“, von denen für mich „Blumen und Sturm“ die schwächste war. Nicht immer gehen einem die Protagonisten der wenige Seiten umfassenden Erzählungen gleich so zu Herzen wie in Banana Yoshimotos Romanen. Doch die Autorin bedient thematisch alle Erwartungen der Leser: Der Umgang mit dem Tod geliebter Menschen, Trennungen, tragische Liebesgeschichten mit verheirateten Männern, unkonventionelle Familienkonstellationen und Erinnerungen sind die bekannten Banana Yoshimoto-Zutaten, die auch in „Mein Körper weiß alles“ zum Zuge kommen.
Bibliographische Angaben:
Yoshimoto, Banana: „Mein Körper weiß alles“, Diogenes, Zürich 2010, ISBN 978-3-257-06751-4
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