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Sonntag, 2. Dezember 2012

„Blut in der Morgenröte“ herausgegeben von Janwillem van de Wetering

„Blut in der Morgenröte“, der dritte und letzte Teil der japanischen Kriminalstories, die Janwillem van de Wetering herausgegeben hat, zeichnet sich wie der erste Teil „Drachen und tote Gesichter“ dadurch aus, dass man die Krimis in dem Band suchen muss. Insbesondere da das Buchcover mit „Thriller“ gekennzeichnet ist, weckt es leider falsche Erwartungen: Der Großteil der neun Erzählungen japanischer Autoren fällt nicht in dieses Genre.

„Der Drache“ soll in Ryunosuke Akutagawas Erzählung demnächst aus einem See in den Himmel auffahren. Doch dieser Mythos, der bei den Bewohnern des Städtchens am See umgeht, geht auf einen sich verselbständigenden Scherz des langnasigen Mönchs Hanazo zurück.

Der Student Fukiya ist clever – aber arm. Um seinen Kontostand aufzubessern, heckt er einen Mord an der reichen Witwe aus, bei der sein Kommilitone Saito wohnt. Als beide verdächtigt werden, die Witwe getötet zu haben, wendet Kogoro Akechi, Japans Sherlock Holmes, eine List an: „Der psychologische Test“ soll in Edogawa Rampos Erzählung den wahren Täter überführen.

„Der Mord im Pfandleihhaus“ ist eine verzwickte Sache. Der Geschäftsführer Tsunemoto wird eines Morgens tot aufgefunden: Er ist im Tresorraum eingeschlossen worden und erstickt. Zwei wertvolle Diamantringe sind entwendet worden. Der Verdacht fällt auf die beiden Angestellten und die Inhaberin des Pfandleihhauses. Zusammen mit ihrem Verehrer löst die weibliche Angestellte Naomi den Fall in Shizuko Natsukis Kriminalgeschichte.

In „Das Rasiermesser“ zeichnet Naoya Shiga das Bild eines Barbiers, dessen Nerven im Fieberwahn mit ihm durchgehen.

„Böse Kameraden“ hat Shotaro Yasuokas Protagonist und Ich-Erzähler: Der Teenager macht die Bekanntschaft des schmuddeligen, koreanisch-stämmigen Komahiko. Komahiko wird zum Helden des Ich-Erzählers und dessen besten Freund Kurata. Denn Komahiko ist ein kleiner Rebell: Er prellt die Zeche, kennt sich im Rotlichtviertel bestens aus und ist dabei auch noch intellektuell bewandert. Die Coming-of-age-Erzählung, die während des zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs kurz vor Japans Angriff auf Pearl Harbour spielt, gleicht einem Tanz auf dem Drahtseil, der eine verrückt gewordene Welt spiegelt. Der Ich-Erzähler rebelliert gegen das Althergebrachte, will sich von seiner kleinbürgerlichen Familie abnabeln – und übt schließlich Verrat. Für mich ist Shotaro Yasuokas Erzählung das Highlight in „Blut in der Morgenröte“. Der Stoff hätte zum Roman gereicht.

In „Metro à gogo“ erzählt Kyotaro Nishimura von einer lächelnden Leiche, die erstochen in einem Kanal aufgefunden wird. In Rückblenden wird die Vergangenheit beleuchtet – und warum die Leiche im Tod so glücklich gewesen sein mag.

Junichiro Tanizakis „Aguri“ behandelt ein typisches Tanizaki-Thema: Ein alternder, von Krankheit gezeichneter Mann verausgabt sich, um seiner jungen Geliebten Anguri diverse Gefälligkeiten zu erweisen.

Mit Ogai Mori darf sich der Leser auf „Blutrache“ begeben: Die Erzählung, die auf einem Vorfall aus dem Jahr 1835 zurückgeht, ist zwar eher fad, zeichnet aber ein detailliertes Bild der legalisierten Blutrache.

„Rittlings auf der Leiche“ von Akinari Ueda findet sich auch in „Unter dem Regenmond“ als „Die blaue Kapuze“: Ein Zen-Meister macht es sich zur Aufgabe, einem wahnsinnigen Mönch, der auf der Suche nach essbarem Menschenfleisch ist, Einhalt zu gebieten.

Bibliographische Angaben:
van de Wetering, Janwillem (Hrsg.): „Blut in der Morgenröte“, Rowohlt, Reinbek 1994, ISBN 3-499-43075-4

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