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Sonntag, 21. Oktober 2012

„Guten Tag, meine Damen“ von Chinatsu Nakayama

Chinatsu Nakayamas sozialkritischer Erzählband „Guten Tag, meine Damen“ erschien im japanischsprachigen Original im Jahr 1980.

Drei Erzählungen umfasst das Werk. „Hinter dem Wasserfall“ ist ein Blick hinter die Kulissen: Ein namenloses Mädchen, ein Kinderstar unter den Schauspielern einer Schauspieltruppe in Tokio, ist weder bei seinen Mitschülerinnen noch bei den erwachsenen Kollegen anerkannt. Nur auf der Bühne kann sie völlig aus sich herausgehen. Doch Karriere machen vor allem die Schauspielerinnen, die mit dem Autor des Stücks anbandeln.

„Die Kranich-Braut“ ist Tsuru. Mit ihrem ehemaligen Professor zwischenzeitlich verheiratet, verliebt sich die junge Ehefrau in einen Studenten. Während ihr der Ehemann ein sicherer Hafen ist, fegt sie die Liebe zu dem Studenten regelrecht hinweg. Doch der Ehemann legt ihr eine 3-monatige Abstinenz von dem Studenten auf, bevor er in die Scheidung einwilligt. Wird die junge Liebe dies und das Geschwätz der Leute überleben?

„Guten Tag, meine Damen“ ist die dritte und lesenwerteste Erzählung in Chinatsu Nakayamas Band: Die Reality-Serie „Guten Tag, meine Damen – Auf der Suche nach Liebe“ erzielt beste Einschaltquoten. Doch Kritiker sehen die Privatsphäre der teilnehmenden Kandidaten verletzt: Das Erfolgsrezept der Sendung basiert darauf, dass verlassene Ehemänner einen Appell an die durchgebrannten Ehefrauen richten, doch bitte zurück zu kehren. Die Detektei des Fernsehsenders spürt die Frauen auf und filmt das Zusammentreffen des betrogenen Mannes mit der Ehefrau – Handgreiflichkeiten sind nicht ausgeschlossen und gut für die Quote. In einer darauf folgenden Live-Sendung werden die Parteien dann erneut vorgeführt, indem sie von so genannten Experten hinsichtlich ihrer weiteren Lebensplanung beraten werden. Doch nicht nur Kritiker prangen dieses Sendeformat an – selbst die eigenen Mitarbeiter haben Skrupel und verabscheuen die Mittel und Wege, die der Sender verfolgt, um Einschaltquoten zu generieren.

Chinatsu Nakayamas Erzählungen mögen heutzutage zwar nicht mehr irrsinnig prickelnd wirken, doch zeigen sie ein für uns ungewöhnliches Bild der japanischen Ehe. So soll die betrügerische Ehefrau eine Abfindung an den gehörten Ehemann zahlen, um eine Einwilligung in die Scheidung zu erhalten – wie eine Sklavin, die sich loskaufen muss. In „Die Kranich-Braut“ wird der europäische Leser mit dem japanischen Ehrbegriff konfrontiert. Und in „Hinter dem Wasserfall“ wird das Schicksal einer betrogenen und langmütigen Quasi-Ehefrau angerissen.

Bibliographische Angaben:
Nakayama, Chinatsu: „Guten Tag, meine Damen“, Rowohlt, Reinbek 1991, ISBN 3-499-13085-8

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