Rund um „Die Straße ohne Sonne“ in Tokio tummeln sich die Wellblechhütten der Ärmsten der Arbeiter, die vornehmlich in den Fabriken des reichen Kapitalisten Okawa arbeiten. Der hat vor kurzem die Arbeiter einer ganzen Abteilung entlassen – ihre 3.000 Kollegen haben aus Solidarität einen Streik ausgerufen. Und so wird der Leser Zeuge eines Arbeitskampfs in den 20er Jahren, der auch in der Realität so – oder so ähnlich – stattgefunden hat. Denn der Autor Sunao Tokunaga verarbeitet in seinem Roman seine eigenen Erlebnisse als Streikender.
Takae ist eine der zentralen Figuren: Die emanzipierte Frau steht hundertprozentig hinter dem Streik und opponiert damit gegen den Vater. Sie und ihre jüngere, schwangere Schwester O-Kayo werden verhaftet und für einige Zeit inhaftiert. Hagimura ist ein Stratege, der sich in der Streikleitung engagiert. Auch er lebt gefährlich: Die Polizei und die Werksfaschisten haben es auf ihn abgesehen. Miyaji gehört einer Geheimabteilung der Streikenden an. Als er sich der Polizei freiwillig stellt, wird er gefoltert und altert innerhalb von Tagen um Jahre. Hin und wieder wechselt die Perspektive auf die wohlhabende Gegenseite und illustriert die Weltfremdheit des Kronprinzen und die Kaltherzigkeit der Kapitalisten.
Sunao Tokunaga appelliert mit „Die Straße ohne Sonne“ an den Zusammenhalt der Arbeiter gegen die unterdrückende Oberschicht. Durch Intrigen und Bestechungen gelangen die Kapitalisten doch an ihr Ziel: Die Solidarität zerfällt und der Streik wird zu den Bedingungen der Arbeitgeber beendet. Interessant ist dabei vor allem, dass Sunao Tokunaga den diversen Einzelschicksalen ein Gesicht gibt. Einige überleben den Arbeitskampf nicht, andere verrotten in Gefängnissen, Frauen prostituieren sich, um eine neue Einnahmequelle zu erschließen.
Freilich entbehrt „Die Straße ohne Sonne“ nicht einer gewissen Polemik, was z.B. die Glorifizierung der roten Fahne betrifft. Dennoch ist der Roman gegen Ende mehr als spannend und fordert Respekt für die Arbeitergeneration heraus, für die der Begriff „Arbeitskampf“ noch wörtlich zu verstehen war.
Bibliographische Angaben:
Tokunaga, Sunao: „Die Straße ohne Sonne“, Dietz, Berlin 1960
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