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Samstag, 13. Oktober 2012

„Kiharu – Memoiren einer Geisha“ von Kiharu Nakamura

Im Jahr 1982 beginnt die inzwischen knapp 70-jährige ehemalige Geisha Kiharu Nakamura ihre Memoiren zu verfassen. Nachdem ihr erstes Buch, das ihre zehnjährige Karriere als Geisha im Shimbashi der 30er Jahre beschreibt, zum Bestseller wird, schreibt sie noch zwei weitere Bücher, die ihr Leben im Nachkriegsjapan und ihren weiteren Lebensweg in den USA illustrieren. Alle drei Bücher sind in der deutschen Ausgabe „Kiharu – Memoiren einer Geisha“ zusammengefasst.

Die Memoiren sind hier auch wirklich als Erinnerungsfragmente zu verstehen; eine stringente Handlung wird nicht verfolgt. Stattdessen sinniert Kiharu Nakamura über dies und jenes, schwenkt einer Eingebung folgend dann auf ein anderes Thema über und berichtet von allerlei Personen, die kurz vorgestellt werden und zumeist später kein zweites Mal erwähnt werden.

So begleitet der Leser sie auf diversen Geisha-Festivitäten, auf denen sie unter anderem Babe Ruth und Charlie Chaplin kennen lernt. Als ihre Jungfräulichkeit an einen ältlichen Minister verkauft werden soll, beschwatzt sie den Alten so lange, bis er sich lieber nur mit ihr unterhält und ihr schließlich und endlich sogar eine damals sehr teure Schreibmaschine schenken will. Heimlich lernt Kiharu englisch, was ihr insbesondere in der Nachkriegszeit sehr zu Gute kommen soll. Als die Polizei sie drängt, künftig als Spitzel zu fungieren, beschließt sie, ihre Geisha-Karriere zu beenden und heiratet einen Diplomaten – gegen den Willen von dessen Familie. Zusammen mit ihrem Ehemann geht sie nach Kalkutta, wo sie sich als eine kleine, japanische Mata Hara betätigt. Mit Ausbruch des zweiten Weltkriegs wird das Ehepaar zusammen mit anderen Japanern interniert und schließlich nach Japan zurückgeschickt.

Buch zwei schildert Kiharu Nakamuras Leben in Japan während des Kriegs. Da ihr Mann nach Burma versetzt wurde, hat sie allein für den gemeinsamen Sohn und die eigene Mutter und Großmutter zu sorgen. Mit allerlei Jobs schlägt sie sich durch, da ihr von ihrem Mann und dessen Familie keinerlei Unterstützung zu Teil wird. Nach Kriegsende blüht das „Blumen- und Weidenviertel“ – das Geisha-Viertel – wieder auf; viele amerikanische Gäste tummeln sich dort. Da Kiharu Nakamura englisch spricht, wird sie gebraucht und hat in den schwierigen Nachkriegszeiten ein gutes Auskommen. Schließlich kehrt ihr Ehemann nach Hause. Doch statt ein freudiges Wiedersehen zu feiern, erlebt Kiharu Nakamura ein böses Erwachen: Ihr Mann hat zwischenzeitlich eine andere geheiratet und hat mit der neuen Ehefrau bereits zwei Kinder. In Japan beginnt sich Kiharu Nakamura immer unwohler zu fühlen. Als Ex-Geisha hat sie mit vielen Ressentiments zu kämpfen.

Buch drei setzt ein, als Kiharu Nakamura in die USA geht. Zunächst war geplant, dass sie nur wenige Monate in New York leben soll – doch schließlich bleibt sie in Amerika. Hier fühlt sie sich frei und als Ex-Geisha akzeptiert. Nur ihre eigenen Landsleute machen ihr deswegen noch das Leben schwer. Die Amerikaner sind von der Japanerin, die grundsätzlich Kimonos trägt, fasziniert. Wie ein Tausendsassa übernimmt sie diverseste Tätigkeiten und zieht innerhalb der USA einige Male um. Doch schließlich kehrt sie nach New York zurück.

Wer von „Kiharu – Memoiren einer Geisha“ allzu viele Informationen über das Geisha-Leben erwartet, wird sicherlich enttäuscht. Noch nicht einmal ein Drittel des Buchs ist diesem Thema gewidmet. Vielmehr zeichnen Kiharu Nakamuras Erinnerungen ein Porträt einer Frau, die wie eine Katze selbst nach tiefem Fall immer wieder auf die Füße kommt. Trotz allen Schicksalsschlägen strahlt sie einen unumstößlichen Optimismus aus und lässt sich nie unter kriegen.

Bibliographische Angaben:
Nakamura, Kiharu: „Kiharu – Memoiren einer Geisha“, Europaverlag, München/Wien 1997, ISBN 3-203-80500-6

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