Zwei Männer, eine Frau – eine typische Junichiro Tanizaki-Geschichte? Nicht ganz… Denn im Fall des Ehepaars Kaname und Misako handelt es sich nicht um leidenschaftliche Geliebte. Sie haben sich auseinander gelebt und könnten Freunde sein, wären sie nicht verheiratet. Mit Kanames Zustimmung hat Misako eine Beziehung zu Aso begonnen. Wenn sie „nach Suma fahren“ will, steht dies als Code für „Aso besuchen“. Doch einer Trennung stehen die gesellschaftlichen Konventionen der 20er Jahre gegenüber. Auch möchte das Ehepaar auf den gemeinsamen Sohn Rücksicht nehmen, der nicht nur dem Status eines Scheidungskindes leiden soll.
Wie eine Metapher zieht sich das Bunraku-Puppentheater durch „Insel der Puppen“: Kaname lässt sich durch seinen Schwiegervater nach anfänglicher Ablehnung für das Theater begeistern. Der Schwiegervater hält sich eine puppengleiche Freundin Anfang 20, deren Kleidung er auswählt, die er im Kochen und im Gesang ausbilden lässt, deren ganzes Verhalten und Gebaren von ihm bestimmt wird, damit sie eine traditionell besonders kompatible Ehefrau abgeben kann. Kaname steht zwischen diesem traditionellen Frauentyp und der modernen Frau, in deren Richtung sich Misako mehr und mehr entwickelt. Mehr noch: Sein geheimer Wunsch an die ideale Partnerin ist die klassische Verkörperung der heiligen Hure.
„Insel der Puppen“ ist ein Buch für den zweiten Blick. Denn die Stücke des Bunraku-Theaters und das Bunraku-Theater selbst sind dem westlichen Leser höchstwahrscheinlich mehr als unbekannt und so findet man sich nicht sofort ins Buch ein; die Handlung stockt vielmehr, wenn erneut Puppen und Theaterspiel thematisiert werden. Doch für die gesellschaftliche Umwälzung die vor allem die Rolle der Frau betrifft, bildet das Bunraku-Theater den geeigneten Rahmen, um die traditionelle Erwartungshaltung an die Frau metaphorisch zu umschreiben.
Das Ende von "Insel der Puppen" bleibt schließlich offen - genauso wie die gesellschaftliche Entwicklung nicht abzusehen ist.
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