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Sonntag, 27. Januar 2013

„Erkundungen – 12 Erzähler aus Japan“ herausgegeben von Eiko Saito


Menschen in der Krise, meist betroffen vom (nahenden) Tod von Angehörigen und Bekannten, sind das übergreifende Thema der Erzählungen in „Erkundungen – 12 Erzähler aus Japan“.

Relativ harmlos kommt noch Shotaro Yasuokas „Lauf, Tomahawk!“ daher: Der Protagonist wird von einem amerikanischen Kekshersteller eingeladen, um zusammen mit Journalisten aus aller Welt den Westen der USA kennen zu lernen. Primär ist die Tour recht langweilig, bis der Ich-Erzähler seinen Mut auf dem Rücken eines Pferdes beweisen muss.

Keizo Hinos Lieblingsthema – das der modernen Stadt – steht auch in seiner Erzählung „Eisenzeit“ im Mittelpunkt. Auf der Suche nach der Botschaft eines kleinen Landes fährt der Protagonist an Häusern vorbei, in denen er bereits als Student gerne gelebt hätte und stellt sich seinem einstigen Wunschtraum erneut.

Taku Miki beschreibt „Nachbarn“: Yoshi ist in die Jahre gekommen und wird von den Jungen in ihrem Viertel „die Alte“ genannt. Die Jahre sind nach ihrem Einzug in das derzeitige Wohnhaus vergangen; auch an ihren Nachbarn geht die Zeit nicht unmerklich vorbei – der Tod klopft mehrmals an die Tür.

„In der Luft“ von Kunie Iwahashi beginnt mit dem Besuch der Ich-Erzählerin bei einer krebskranken Schulfreundin und geht über in die Schilderung der Familienverhältnisse der Protagonistin, die alles andere als innig oder liebevoll sind.

Das „Sternbild des Orions“ (von Akira Yoshimura) betrachtet Toshio im Planetarium zusammen mit seinem Vater. Dabei lässt die Toshio die Geschehnisse der letzten Zeit Revue passieren: Seine Mutter hatte die Familie wegen eines anderen Mannes verlassen und bald darauf Selbstmord begangen. Sein Vater verzweifelt an der Situation.

Haruki Murakamis „Glühwürmchen“ ist die Kurzfassung seines Romans „Naokos Lächeln“: Der Ich-Erzähler ist Student und trifft die Freundin seines Kumpans wieder, der als Teenager Selbstmord begangen hatte. Die beiden nähern sich an, doch ein Happy End ist ihnen nicht vergönnt.

„Das Trauerfeld“ von Yoshikichi Furui ist mein Highlight in dem Erzählband: Ein Freund des Ich-Erzählers verschwindet für eine Woche, nachdem ihm unheilbarer Krebs attestiert wurde. Er taucht bei einer Frau unter und führt sich gar seltsam auf.

Ein bisschen abstrus wird es in Mizuko Masudas „Blumen“: Yuki ist eine Eigenbrötlerin und kann sich in der modernen Arbeitswelt nicht zu Recht finden. Der Wirt Ariga, ebenfalls nicht gerade besonders mitteilsam, gibt der jungen Frau nicht nur einen Job, sondern besorgt ihr auch eine Wohnung. Ob die beiden eine gemeinsame Chance haben?

Kurz vor dem Alter von „Einhundert“ steht der Vater des Protagonisten in Takehiro Irokawas Erzählung. Der Ich-Erzähler hält sich am liebsten von seinem Vater fern – ist er doch ein alter Choleriker und hat seit jeher seine Brutalität an den Familienmitgliedern ausgelassen. Doch als seine Mutter ins Krankenhaus eingeliefert ist, muss der Protagonist die Stellung im elterlichen Haushalt halten und sich mit seinem Vater auseinander setzen.

„Lebenstage“ werden Akira Abes Erzählung thematisiert: Erinnerungen an Tage, die sich Kindern für immer ins Gedächtnis prägen und sie bis ans Ende ihres Lebens begleiten werden.

„Die Pistole“ des Vaters liegt seit dessen Tod im Haushalt der Mutter. Tetsuo Miuras Protagonist muss sich um seine Mutter kümmern, die die Sorge um die illegale Waffe quält.

„Das Baumpflanzfest“ ist in Shuichiro Konos Erzählung die Gelegenheit für Shiotsu, seiner Wut über den Tod seines Vaters in einem Gefängnis Luft zu machen.

„Erkundungen – 12 Erzähler aus Japan“ hält ein interessantes Spektrum an Erzählungen bereit, teilweise illuster, teilweise tragisch, teilweise phantasievoll, teilweise alltäglich – jedoch immer nachdenklich.

Bibliographische Angaben:
Saito, Eiko: „Erkundungen – 12 Erzähler aus Japan“, Volk und Welt, Berlin 1992, ISBN 3-353-00880-2

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