Die Texte umfassen Vorträge, Essays und Erzählungen. In dem Vortrag „Über den Geist der Prosa“ offenbart Kazuo Hirotsu seine Definition des Geistes der Prosa:
„Den Mut nicht zu verlieren, was auch immer geschehen mag, sondern beharrlich und unnachgiebig, ohne voreilig in Pessimismus oder Optimismus zu verfallen, konsequent sein Leben zu leben – das das ist für mich der Geist der Prosa.“ (S. 17)
Die Zähne zusammenbeißen, konsequent bleiben und den Mut nicht zu verlieren: Diese Eigenschaften haben die Charaktere der Erzählungen „Aus dem Leben einfacher Leute“ und „Jugendtage“ und der in einem Essay porträtierte Autor Shusei Tokuda.
„Aus dem Leben einfacher Leute“ geht es um Onui, die gegen Ende des 19. Jahrhunderts vom Land nach Tokio kommt. Ihren nichtsnutzigen Mann hat sie auf dem Land in Tadotsu zurück gelassen. Wider alle Erwartungen macht die unansehnliche Onui in Tokio ein kleines Vermögen, obwohl sie mit kaum Startkapital in die Hauptstadt kam. Denn dank ihrer Beharrlichkeit und ihres Durchhaltewillens meistert sie die Probleme, die sich ihr in den Weg stellen. Kimiko, Onuis Quasi-Schwiegertochter, ist eine weitere starke Frau, die sich nicht beirren lässt und so ebenfalls dem „Geist der Prosa“ entspricht.
„Jugendtage“ kommt vordergründig als Geschichte einer Jugendliebe daher: Der Ich-Erzähler Tsuneo Kojima trifft in einem Zug seinen ehemaligen Mitschüler und Nachbarn Sugino wieder. Tsuneo vernimmt entsetzt, dass Suginos liebreizende Schwester Chizuko kurz nach ihrer Hochzeit gestorben ist. Diese Nachricht lässt Kojima die vergangenen Jahre Revue passieren: Wie die Kojimas Nachbarn der Suginos wurden und Tsuneo Chizuko heranwachsen sah. Als Chizuko zur jungen Frau heranreift, regt sich in Tsuneo ein Gefühl, das über die Vertrautheit zu einer Nachbarstochter hinausgeht.
Zunächst erschien die Erzählung unter dem Titel „Reue“. Jahre nach der Erstveröffentlichung überarbeitete Kazuo Hirotsu die tragische Liebesgeschichte, indem er die Figur von Tsuneos Vater prominenter herausarbeitete. Vorbild für diese Figur war Kazuo Hirotsus Vater: Der Schriftsteller Ryuro Hirotsu war Anhänger der Literaturgruppierung Kenyusha gewesen. Nachdem der Naturalismus seinen Siegeszug in Japan antrat, war die Zeit der Kenyusha-Autoren vorbei. Doch statt aus ökonomischen Zwängen heraus seinen Stil zu ändern, blieb sich Ryuro Hirotsu treu. So auch die Figur des Vaters von Tsuneo: Bevor er einträgliche, aber abgedroschene Liebesgeschichten schreibt, schreibt er lieber gar nicht. Und so lebt er ganz im „Geist der Prosa“.
In seinem Essay über den Autor Shusei Tokuda beschreibt Kazuo Hirotsu die Eigenschaften seines Kollegen, die ebenfalls ganz dem „Geist der Prosa“ entsprechen: Shusei Tokuda ging beharrlich seinen schriftstellerischen Weg und wurde sicherlich oftmals verlacht. Doch dank seiner Konsequenz gelangen ihm bewundernswerte Werke.
Dank der vielen Anmerkungen durch die Übersetzerin wird dem Leser die Raffinesse von Kazuo Hirotsu erst klar. Denn so manche Anspielung, die vordergründig gar keine Kritik enthält, wird erst durch die Fußnote deutlich. Dadurch ziehen einen selbst die Essays in den Bann.
Wer nun noch mehr über Kazuo Hirotsu und die Texte in „Der Geist der Prosa“ erfahren will, der findet eine ausführliche Analyse in Asa-Bettina Wuthenows Dissertation, die hier abgerufen werden kann.
Bibliographische Angaben:
Hirotsu, Kazuo: „Der Geist der Prosa“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Wuthenow, Asa-Bettina), Iudicium, München 2014, ISBN 978-3-86205-288-2
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