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Freitag, 23. November 2012

„Verdächtige Geliebte“ von Keigo Higashino

Keigo Higashinos „Verdächtige Geliebte“ ist eine positive Überraschung in diesem Leseherbst. Bisher war nur der recht dröge Krimi „Mord am See“ des Autors in deutscher Übersetzung zu lesen. Die zweite Übersetzung des Edogawa Rampo-Preisträgers fesselt bis zur allerletzten Seite und ist ein Page-Turner bester Güte.

Worum geht’s? Der eigenbrödlerische Lehrer Ishigami ist ein gescheitertes Mathematik-Genie. Neben dem Lösen von schwierigen mathematischen Fragestellungen ist seine einzige Freude im Leben, sich sein Lunchpaket im Bentoladen zu kaufen, in dem seine Nachbarin Yasuko arbeitet. Ishigami ist verliebt in die allein erziehende Mutter. Yasuko hatte bisher Pech mit den Männern. Vom Vater ihrer Tochter lebt sie getrennt. Und auch ihre zweite Ehe ging in die Brüche – doch ihr Ex-Ehemann terrorisiert Yasuko, will Geld aus ihr herauspressen. Als er eines Tages wieder einmal vor der Tür steht und gierig Geld verlangt, geschieht das Unfassbare: Yasuko tötet ihren Ex-Mann im Affekt, als dieser auf die Tochter losgeht. Völlig unversehens bietet Ishigami seine Hilfe an, den Mord zu vertuschen. Der Mathematiker scheint in Windeseile einen wasserdichten Plan zu schmieden.

Der Mord bleibt nicht lange unentdeckt. Doch an Yasukos Alibi, das ihr Ishigami besorgt hat, ist kaum zu rütteln. Wenn die Polizei jedoch nicht unversehens Unterstützung von Ishigamis ehemaligem Kommilitonen, dem Physiker Yukawa erhalten würde, wäre der Fall vielleicht ungelöst zu den Akten gelegt worden. Doch Ishigami und Yukawa können sich gegenseitig das Wasser reichen, was ihre analytischen Fähigkeiten betrifft – kann der eine das Labyrinth, das der andere baut, auflösen?

„Verdächtige Geliebte“ spielt mit ähnlichen Zutaten wie Natsuo Kirinos „Die Umarmung des Todes“: Eine hilflose Ehefrau bringt unter widrigen Umständen den (Ex-)Ehemann um die Ecke, will sich der Polizei nicht stellen und nimmt stattdessen die Hilfe von Bekannten in Anspruch, um die Leiche zu entsorgen. Während jedoch Natsuo Kirino die Handlungen aller Beteiligten offen legt, zeichnet sich „Verdächtige Geliebte“ dadurch aus, dass der Leser ebenso wie Yukawa den dünnen Faden aufnehmen muss, der zur Lösung des Falles führen kann – denn die Geschehnisse sind verzwickter, als man glaubt.

Ebenso verzwickt sind die Gefühle, die man als Leser der Figur des Ishigami entgegen bringt. Man schwankt zwischen Sympathie, Mitleid und Abscheu – wahrlich ein ungewöhnlicher Held!

Bibliographische Angaben:
Higashino, Keigo: „Verdächtige Geliebte", Klett-Cotta, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-608-93966-8

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