Sieben Erzählungen versammelt Ingrid Schuster in dem Reclam-Heftchen „Japanische Kriminalgeschichten“. Ihre Textauswahl datiert zurück bis ins 17. Jahrhundert und beginnt Saikaku Iharas „Sie wussten nicht, was in der Trommel war“: Hier lässt sich ein Richter eine besonders listige Methode einfallen, wie er unter denen Verdächtigen, von denen einer den gemeinsamen Kumpan bestohlen hat, überführen wird.
„Die Daumenfessel“ eines unbekannten Autors ist ebenfalls eine trickreiche Prozedur eines Richters, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.
Tragisch wird es dagegen in „Die Straßensängerin und der Samurai“ (Autor ebenfalls unbekannt): Der Edelmann Genzaburo verliebt sich Hals über Kopf in Okoyo, eine Eta, eine Ausgestoßene. Genzaburo setzt seinen Ruf und seine Ehre aufs Spiel, als er sich mit ihr einlässt. Allerlei Intrigen werden bald um das ungleiche Liebespaar gesponnen.
Junichiro Tanizaki kreiert mit seiner Erzählung „Ich“ ebenso ein Verwirrspiel: In einem Internat scheint ein Schüler zum Langfinger zu mutieren. Vielfache Verdächtigungen werden ausgestoßen. Wer mag wohl der Täter und wer wohl das Opfer ungerechtfertigter Anschuldigungen sein?
In Edogawa Rampos „Das Rote Zimmer“ gibt es Opfer zu Hauf: Ein Neuzugang in einem Zirkel gelangweilter Herren erzählt über seine mannigfaltigen Mordopfer und die Wege, wie er eines um das andere auf elegante Weise zur Strecke brachte. Mag dies der kaltschnäuzigste Mörder aller Zeiten sein?
Seicho Matsumotos Protagonist Ishino in „Die Zeugenaussage“ wird durch seine außereheliche Affäre in Bedrängnis gebracht: Als Ishino mit seiner Geliebten Chieko unterwegs ist, begegnet ihm sein Bekannter Sugiyama. Da ausgerechnet Sugiyama des Mordes beschuldigt wird und als Alibi die Begegnung mit Ishino angibt, sieht dieser seinen Ruf und seine Stellung in Gefahr. Er entschließt sich zur Falschaussage, die für Sugiyama das Todesurteil bedeuten kann.
Masako Togawas „Der Blutsauger“ ist vielleicht die Erzählung in „Japanische Kriminalgeschichten“, die am eindrücklichsten ist. Aus der Sicht von Shojiro, der offensichtlich nicht der Hellste ist, wird geschildert, dass die Insassen einer Anstalt regelmäßig von einem „Vampir“ heimgesucht und zur Blutspende gezwungen werden. Können investigative Journalisten den eigentümlichen Vorgängen auf die Spur kommen? Oder sind Shojiro und seine Leidensgenossen in ernsthafter Gefahr?
Ingrid Schusters Reclam-Bändchen „Japanische Kriminalgeschichten“ bietet insgesamt ein nettes Sammelsurium an teilweise aber nur mäßig spannenden Erzählungen. Eine schönere Zusammenstellung findet sich beispielsweise in „Totenkopf und Kimono“, auch wenn man sich hier wie dort sicherlich über die Definition von „Kriminalgeschichten“ streiten lässt.
Bibliographischen Angaben:
Schuster, Ingrid (Hrsg.): „Japanische Kriminalgeschichten“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Ota, Yuzo/Sato, Reiko & Schuster, Ingrid), Reclam, Stuttgart 1985, ISBN 3-15-008086-X)
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