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Montag, 18. Februar 2013

„Karpfentanz“ von Hisako Matsubara

Der Karpfen – ein Symbol für Zielstrebigkeit. Wenn es nach Ryos Mutter geht, dann soll der 26-Jährige ein richtig dicker Fisch im Bankenwesen werden. Dummerweise stagniert seine Karriere aber gerade. Als Absolvent einer Elite-Universität muss er sich im Außendienst hochbuckeln. Er soll Privatpersonen davon überzeugen, ihr Geld bei der Gowa-Bank anzulegen. Doch Ryo fehlt es an Selbstbewusstsein, Souveränität und Leutseligkeit, um sein hohes Soll zu erfüllen. Sein Kollege Kenzo hilft ihm gegen entsprechende Entlohnung oft genug aus der Patsche. Die Zielvorgaben der Gowa-Bank sind unerbittlich, werden immer höher angesetzt und treiben die Angestellten gar zum Selbstmordversuch.

Wäre es nach Ryos Vater gegangen, dem Guji, dem höchsten Shinto-Priester von Kioto, so hätte er Ryo von Kindheit an eine andere Erziehung angedeihen lassen, die seinem zurückhaltenden Charakter Rechnung getragen hätte. Doch Ryos ehrgeizige Mutter, die einer Samurai-Familie entstammt, wollte  Ryo partout zu einem Angehörigen der Elite trimmen: Elite-Kindergarten, Elite-Schule, Elite-Universität. Und Elite-Job?

Dummerweise scheint sich der junge Mann auch noch ernsthaft zu verlieben – ausgerechnet in die völlig unstandesgemäße Tochter eines Busfahrers. Erschwerend kommt hinzu, dass die Tochter Saya sich in Europa mit einem Gaijin, einem Nicht-Japaner, verheiratet hat. In der feinen Gesellschaft von Kioto ist das ein Skandal. Ryos Marktwert in der arrangierten Ehevermittlung sinkt daher auf einen sensationellen Tiefststand. Und dabei hatte Ryos Mutter doch so sehr auf eine Schwiegertochter aus gutem Hause gehofft, die Ryo zu guten Beziehungen verhelfen könnte.

Hisako Matsubara setzt ihre Familiengeschichte, die sie mit „Abendkranich“ begonnen hat, mit „Karpfentanz“ fort. Zwischenzeitlich sind 20 Jahre vergangen und Saya, der Protagonistin aus „Abendkranich“, ist ins Ausland gegangen. Im Zentrum von „Karpfentanz“ steht nun ihr Bruder Ryo. Hisako Matsubara hält mit ihrer Kritik an der japanischen Gesellschaft der 60er Jahre nicht zurück: Es gilt zwar als chic, einen Gaijin aus Europa oder den USA zu kennen – aber ehelichen soll man solch einen Barbaren bitte bloß nicht. Durch solch eine Untat gerät eine ganze Familie in Verruf. Die Angestellten der Banken werden völlig unter Druck gesetzt und regelrecht einer Gehirnwäsche unterzogen. Wer braucht denn Freizeit, wenn es darum geht, sich für den Arbeitgeber aufzureiben? Schließlich zählt in der japanischen Gesellschaft nur die Karriere. Und wer will schon als Versager gelten?

Zwar fehlt „Karpfentanz“ aufgrund der Thematik die Leichtigkeit von „Abendkranich“. Trotzdem hat die Lektüre Spaß gemacht – insbesondere da sie ein Wiedersehen mit dem großartigen Guji ermöglicht. Ein weiser Mann, der Sätze wie

„Wenn man der Natur zuviel Gewalt antut, führt es zu Verwerfungen der Seele.“ (S. 113)

von sich gibt – sich aber leider nicht gegen seine überambitionierte Frau durchsetzen kann. Er ahnt, dass Ryo unter den gegebenen Umständen sich bald zu etwas ganz Unglaublichem hinreißen lassen wird. Er wird Recht behalten…

Bibliographische Angaben:
Matsubara, Hisako: „Karpfentanz“, Albrecht Knaus, München 1994, ISBN 3-8135-6084-8

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