Am 2. Juli 1950 steckte der Zen-Novize Yoken Hayashi den Goldenen Pavillon, den Kinaku-ji in Kioto, in Brand. Der Tempel brannte komplett nieder – und Yoken Hayashi wurde zu einer Gefängnisstrafe von sieben Jahren verurteilt. Da ihm Schizophrenie und Verfolgungswahn attestiert wurden, kam er bereits früher frei. Yukio Mishima, der den Brandstifter im Gefängnis besucht hatte, veröffentlichte 1956 den Roman „Der Tempelbrand“, der auf dem Ereignis beruht, jedoch weithin fiktiv ist. Im selben Jahr starb Yoken Hayashi an Tuberkulose.
In Yukio Mishimas „Der Tempelbrand“ nimmt der Novize Mizoguchi den Platz von Yoken Hayashi ein. Wie dieser leidet Mizoguchi seit jeher unter seinem Stottern; fühlt sich wie ein Ausgestoßener. Sein Vater, ein Liebhaber der Goldenen Halle und Zen-Priester, weckt auch in Mizoguchi die Begeisterung für die Ästhetik des Bauwerks. Als der Vater stirbt, nimmt der Prior des Tempels Mizoguchi als Novize auf. Mizoguchi erliegt einer Obsession für die Schönheit der Halle, während er sich in der Alltagswelt kaum zu behaupten weiß. Sein Mitnovize Tsurukawa scheint auf der hellen Seite des Lebens zu stehen, während Mizoguchi sich auf der dunklen Seite verortet.
Als Mizoguchi den klumpfüßigen Kashiwagi kennen lernt, eröffnen sich ihm neue Perspektiven, zu seiner selbst empfundenen Hässlichkeit zu stehen. Kashiwagi ist ein Teufel, dem es gerade aufgrund seiner Behinderung gelingt, Frauen zu verführen, auszunehmen und vor den Kopf zu stoßen.
Mizoguchi fasst schließlich einen Entschluss: Nur eine Tat kann die Welt verändern – die Goldene Halle muss brennen.
Mishimas „Der Tempelbrand“ ist vielschichtig. Es wird nicht nur aufgezeigt, wie ein Außenseiter, der auf die meisten Menschen völlig unauffällig wirkt, zum Brandstifter wird. Mizoguchi und Kashiwagi diskutieren anhand der buddhistischen Erzählung „Nansen tötet die Katze“ die Rolle der Schönheit, als auch von Tat versus Erkenntnis. Trotz aller Liebe zur Ästhetik geht es auch recht brutal zu in „Der Tempelbrand“: Der Ikebana-Fan Kashiwagi schlägt sein Verehrerin, nachdem er Blumen arrangiert hat. Mizoguchi tritt einer schwangeren Prostituierten auf Anweisung ihres US-amerikanischen Freundes vor der Goldenen Halle so lange in den Bauch, bis sie eine Fehlgeburt erleidet.
Der Erfolg von Mishimas „Der Tempelbrand“ in Japan beruht aber nebst des spektakulären, realen Tempelbrands auch auf seiner Kritik am gelebten Zen-Buddhismus: Der Prior hält seine Novizen kurz, die Einnahmen des Tempels verprasst er im Geisha-Viertel Gion.
Ein bisschen gestört hat mich jedoch die Übersetzung des Japanologen Walter Donat. So kommen Begrifflichkeiten und Redwendungen vor, die gestelzt oder falsch übersetzt wirken. „Dank diesem Jucken würde sie später das Recht erwerben, gegen mich zu zeugen.“ (S. 241) heißt es da beispielsweise. „Gegen mich auszusagen“ war wohl nicht hochgestochen genug – aber wäre „gegen mich Zeugnis abzulegen“ nicht die bessere Alternative gewesen? Aus dem Rotlichtviertel wird auf S. 250 ein „Fremdenviertel“ – wäre nicht „Freudenviertel“ der passendere Ausdruck gewesen? Auch Sätze mit einem „Je, …“ einzuleiten mutet seltsam an, wenn damit eher ein „Tja“ gemeint ist.
Bibliographische Angaben:
Mishima, Yukio: „Der Tempelbrand“, Goldmann, München 1988, ISBN 3-442-08933-6
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