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Dienstag, 16. April 2013

„Unter dem Sturmgott“ von Yukio Mishima

Susanoo ist der shintoistische Sturmgott, der Gott der Zerstörung. Yukio Mishimas Protagonist Isao ist ganz vom Geiste Susanoos beseelt: Nur Zerstörung, Attentate können Japans Weg in den Abgrund stoppen. Der junge Mann verortet sich im rechten Milieu und hat Feuer für den Göttersturm-Bund gefangen, der in der Meiji-Ära gegen das Militär vorgegangen war und den wenig aussichtsreichen Kampf mit Seppuku beendete. Isao begeistert sich für die „Lauterkeit“ der Aufständischen – und hebt einen eigenen Geheimbund aus. Als Ziele ihrer Attentate werden raffgierige, unpatriotische Industrielle ausgemacht, die das gemeine Volk ausbluten lassen.

Isao ist der Sohn von Inuma, der zeitweilig als Erzieher von Kiyoaki tätig war, der dem Leser im ersten Teil von Mishimas Tetralogie „Das Meer der Fruchtbarkeit“, in „Schnee im Frühling“ begegnet ist. Kiyoakis bester Freund Honda ist zwischenzeitlich Richter in Osaka und trifft auf Isao, als er einen Vorgesetzten als Ehrengast bei einem Kendo-Turnier vertritt: Auf einem heiligen Berg will sich Honda unter einem Wasserfall reinigen, wo sich bereits der junge Kendo-Kämpfer Isao wäscht. So entdeckt Honda an Isao dieselben Leberflecke, die er auch an Kiyoaki gesehen hat. Mehr noch – hatte Kiyoaki nicht vor seinem Tod gesagt, Honda würde ihn ganz bestimmt unter einem Wasserfall wieder sehen? Der rationale Honda kommt sich wie vor den Kopf geschlagen vor. Ist Isao womöglich die Wiedergeburt Kiyoakis? Dass ausgerechnet ein entschlossener, patriotischer Kendo-Kämpfer die Wiedergeburt des frevlerisch veranlagten Müßiggängers Kiyoakis sein soll, mutet besonders gewagt an. Insbesondere da Kiyoaki Kendo-Kämpfer verachtet hatte.

„Unter dem Sturmgott“ ist eine etwas beschwerliche Lektüre. Da ist zum einen der Bericht über den Göttersturm-Bund: Mehr als 50 Seiten werden dem sinnlosen Gemetzel gewidmet, das mit mannigfaltigem eigenhändigem Bauch-Aufschlitzen beendet wird. Hinzu kommen Isaos ausführlichste Überlegungen zur „Lauterkeit“, die irgendwann ziemlich ermüdend werden. Diese Detailliertheit der Gefühlslage steht in krassem Gegensatz zu den letzten Seiten des Romans, auf denen die Beweggründe des Protagonisten kaum mehr thematisiert werden. Zwar mag Isao dem Prinzip, dass Denken und Handeln eines sind, folgen – doch kann man als Leser die Motive dieses Handelns nur erahnen.

Ich gebe auch gerne zu, dass mir der Kult um Seppuku, die Todessehnsucht Isaos hinsichtlich Yukio Mishimas eigenem Aufstand mit anschließendem Seppuku umso suspekter ist.

Bibliographische Angaben:
Mishima, Yukio: „Unter dem Sturmgott“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Schaarschmidt, Siegfried), Hanser, München/Wien 1986, ISBN 3-446-14628-8

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