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Sonntag, 21. Juli 2013

„Yuhi“ von Yangji Lee

Drei Erzählungen finden sich in Yangji Lees Band „Yuhi“. Ein bisschen wirken die Werke der Zainichi-Koreanerin wie das Negativ zu Banana Yoshimotos literarischem Schaffen. Bei beiden werden unter anderem schwierige Familiensituationen, Patch-Working, der Tod von lieben Familienangehörigen, die Suche nach einem neuen Anfang thematisiert. Doch während Banana Yoshimoto die herzlichen, liebevollen Seiten ihrer Charaktere herausstellt und versöhnlich bleibt, ist Yangji Lee auf der anderen Seite der Skala zu verorten:

„Die Entfernung zwischen Menschen. Gerade weil man Mensch ist, weil man lebt, besteht diese unleugbare Distanz zwischen einander.“ (S. 95)

So bleiben die Protagonisten in Yangji Lees Erzählungen isoliert und wirken bis zu einem bestimmten Grad hart und unzugänglich. Obwohl der thematisch härterer Kost schwebt eine sprachliche Leichtigkeit über den Erzählungen, wie man sie auch von Banana Yoshimoto kennt.

Mit „Der Klageschmetterling“ beginnt der Erzählband. In der Protagonistin und Ich-Erzählerin vermeint man Yangji Lee selbst zu erkennen: Vor dem Scheidungskrieg der Eltern ist sie von zu Hause nach Kioto ausgerissen, um sich mit einem Job in einem Ryokan über Wasser zu halten. Schließlich kehrt sie doch wieder nach Hause zurück, nur um ihre Familie weiter im Seziersaal des Familiengerichts bloßlegen zu lassen. Doch es warten noch weitere Schicksalsschläge auf die Familie.

„Verehrter Bruder“ scheint wie aus der Perspektive einer jüngeren Schwester von Yangji Lee geschrieben zu sein. Tamiko spricht hier zu ihrem älteren, verstorbenen Bruder und berichtet über ihre Schwester Kazuko, die mit ihrer Identität als Koreanerin kämpft. Sie beteiligt sich an politischen Organisationen, nimmt dubiose Jobs an, um sich neben dem von den Geschwistern geschnorrten Geld Einkünfte zu sichern, säuft wie ein Loch und verschwindet tageweise spurlos.

„Yuhi“ ist die vielleicht ausgefeilteste Erzählung: Yuhi ist eine Zainichi-Koreanerin, die in Seoul Literaturwissenschaften studiert. Doch anders als viele Studentinnen lebt sie sehr zurückgezogen und wirkt besonders scheu. Sie zieht in ein Privatzimmer im Haus der Erzählerin und deren Tante. Hier scheint sie endlich eine Oase des Friedens zu finden. Doch sie bleibt unglücklich in Seoul. Mit dem Koreanischen kann sie sich nicht anfreunden, sie liest und schreibt weiterhin auf Japanisch. Das Koreanische scheint ihr gar physische Schmerzen zu bereiten. In Korea kann Yuhi nicht glücklich werden...

Yangji Lees Erzählungen zeigen die Zerrissenheit der Zainichi-Koreaner auf. Japanisch ist ihre „Muttersprache“, doch in Japan werden sie als Fremde erachtet. Korea ist ihnen selbst fremd und auch hier finden sie nicht die ersehnte Heimat. Sie stecken in einem unlösbaren Dilemma. Als Leser meint man zu erahnen, wie Yangji Lee sich diesem mit dem Schreiben näherte. Während das ältere Werk „Der Klageschmetterling“ noch aus der Perspektive der Autorin geschrieben zu sein scheint, verschiebt sich in „Verehrter Bruder“ der Blickwinkel auf den der Schwester und in „Yuhi“ ist die Erzählerin bereits eine zunächst Fremde.

„Yuhi“ ist eine schwermütige Lektüre, die einen ungeschonten Einblick in das Leben von Zainichi-Koreanern ermöglicht. Man erahnt den langjährigen Kampf, den Yangji Lee um ihre kulturelle Identität ausgefochten haben mag. Umso trauriger, dass man aufgrund ihres frühen Todes nie erfahren wird, ob ihr die Versöhnung mit ihrem Schicksal gelungen wäre.

Bibliographischen Angaben:

Lee, Yangji: „Yuhi“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Nakamura-Methfessel, Verena), Abera Verlag, Hamburg 2013, ISBN 978-3-939876-01-4

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