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Freitag, 26. Juli 2013

„Das Tempeldach“ von Yasushi Inoue

„Das Tempeldach“ sollte man keinesfalls als ersten Yasushi Inoue lesen. Denn dann besteht das Risiko, dass man sich an keinen zweiten mehr heranwagt. In dem historischen Roman beschreibt der Autor das Schicksal von vier jungen buddhistischen Mönchen, die im Jahr 732 mit einer japanischen Gesandtschaft nach China gehen, um einen renommierten Priester zu finden, der mit nach Japan kommen mag, um dort sein Wissen weiterzugeben.

Yasushi Inoues Werk basiert auf realen Gegebenheiten: Dem Mönch Fusho gelang es tatsächlich den berühmten Chien-chen nach Japan zu geleiten. Dazu war eine jahrlange Odyssee nötig, die mehrere Irrfahrten, Schiffbrüche, materielle Verluste und Todesfälle beinhaltete. Doch trotz eigentlich hervorragen Zutaten wie Mystik, exotische Schauplätze und starke Persönlichkeiten kommt „Das Tempeldach“ kaum über das Niveau von bloßen Aufzählungen à la „sie fuhren dorthin, hier passierte dieses und jenes und dann entschlossen sie sich da und da hin zu segeln“ hinaus. Die Dialoge sind spärlich gesät. Und obwohl Chien-chen in „Das Tempeldach“ als charismatischer Religionsführer besonders eindrucksvoll hätte beschrieben werden können, wirkt ausgerechnet der verspleente, alte Mönch Gogyo als einziger ausgeprägter Charakterkopf.

Die politische Dimension der japanischen Gesandtschaft erschließt sich leider erst aus dem Nachwort von Oscar Benl. Denn Chien-chen sollte nicht nur zwecks spirituellen Interesses nach Japan geholt werden, sondern schlichtweg um die aufmüpfigen japanischen Mönche zu disziplinieren. Dieser Aspekt hätte „Das Tempeldach“ wenigstens noch etwas Würze verliehen. Sicherlich hätte auch eine Landkarte der Irrfahrten das Buch bereichert. Wer weiß denn schon wo der T’ein-t’ai-Berg liegt und wo sich Ai-chou befindet…

Der Roman, der im Original „Tempyo no iraka“ (was wohl soviel wie „Dachziegel der Tempyo-Zeit“ bedeutet) heißt, erhielt in der deutschen Version den etwas abwegigen Namen „Das Tempeldach“. Mit dem Dachziegel kann man vielleicht den Mönch Fusho assoziieren, der zusammen mit seinen Gesinnungsgenossen dem Buddhismus in Japan eine Heimat gegeben hat. Da ist mir die Übersetzung „Das Tempeldach“ zu weit entfernt und sie steht auch in keinem Zusammenhang zur Handlung.

„Das Tempeldach“ mag für Leser, die sich für die Verbreitung des Buddhismus interessieren, sicherlich sehr interessant sein. Doch in Ermangelung von Spannung, ausgefeilten Charakterdarstellungen und Stimmungsbildern sei allen anderen lieber abgeraten. „Das Tempeldach“ wird Yasushi Inoue, dem es in seinen anderen Werken immer wieder fantastisch gelingt, Charaktere zu beschreiben, leider nicht gerecht.

Bibliographische Angaben:
Inoue, Yasushi: „Das Tempeldach“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Benl, Oscar), Suhrkamp, Frankfurt/Main 1981, ISBN 3-518-01709-8

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