Labels

Freitag, 19. Juli 2013

„Erfrorene Träume“ von Wahei Tatematsu

Der Titel „Erfrorene Träume“ trifft die Handlung von Wahei Tatematsus Roman sehr treffend. Denn die studentische Wandergruppe um Noboru hat kein Glück auf ihrer winterlichen Tour im Hidaka-Gebirge auf Hokkaido. Zwar scheint der Ausflug für Noboru zunächst noch ganz positiv zu verlaufen, da er Yuko, der einzigen Frau in der Gruppe, erfolgreich Avancen machen kann. Doch eines Nachts geschieht das Unglück: Die schlafenden Studenten werden von einer Lawine verschüttet. Noboru liegt fortan relativ bewegungsunfähig unter einer dicken Schneeschicht. Traum- und Wachphasen wechseln sich ab. Als es ihm endlich gelingt, sich etwas Platz zu verschaffen, beginnt er mit kurzzeitigen, mühseligen Versuchen, sich frei zu graben. Dabei legt er den Kopf der toten Yuko frei.

Yuko spielt auch eine große Rolle in seinen Träumen. So imaginiert Noboru Situationen, die vielleicht eingetreten wären, wäre die Lawine nicht abgegangen: Yuko, wie sie die Wandergruppe nach der Rückkehr aus den Bergen bekocht. Noboru und Yuko auf einer sommerlichen Bergtour. Der erste gemeinsame Sex… Doch träumt Noboru auch von bereits verstorbenen Bergsteigern, die als Geister immer noch bei dem Überlebenden ihrer gemeinsamen Unglückstour erscheinen.

In „Erfrorene Träume“ macht sich große Beklemmung breit. In den Bergen liegen Leben und Tod besonders nahe beieinander. Ein falscher Schritt kann das Ende bedeuten. Als Noboru verschüttet wird, beginnt der Alptraum. Dennoch scheint Noboru nichts zu bereuen. Sein Leben – und sein Tod – gilt den Bergen.

Ein interessantes Detail an „Erfrorene Träume“ besteht darin, dass sich Wahei Tatematsu für sein Werk wohl von dem realen Fall eines Lawinenopfers hat inspirieren lassen, das noch einige Tage nach dem Abgang verschüttet überlebt und Aufzeichnungen aus den letzten Lebensstunden hinterlassen hat.

Ein kleines Manko an „Erfrorene Träume“ scheint in der Übersetzung zu liegen. Manche Begrifflichkeiten (wie z.B. „Kälteschutzkleidung“) kommen recht sperrig daher. Einige Passagen hätten vielleicht etwas prägnanter formuliert werden können. Und da es im Deutschen nun mal ein Gütekriterium von Texten ist, möglichst mit Synonymen zu arbeiten, hätte der Roman auch noch daraufhin überarbeitet werden können.

Bibliographische Angaben:
Tatematsu, Wahei: „Erfrorene Träume“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Rhyner, Bruno), Angkor Verlag, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-936018-85-1

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen