Labels

Sonntag, 10. Juli 2011

„Das anarchische Aschenputtel“ von Hiromi Ito & Masahiko Nishi

Hiromi Ito und ihr Ex-Ehemann Masahiko Nishi widmen sich mit „Das anarchische Aschenputtel“ Grimms Märchen und den japanischen Sekkyo-Erzählungen und stellen allerhand interessante Thesen auf. Sind in den Märchen deswegen die Männer so passiv und die Frauen so aktiv, weil es Frauen waren, die die Märchen erzählt haben? Was hat es mit dem Wald auf sich, in den es Kinder und Frauen oft verschlägt? Steckt in jeder Mutter nicht auch der Wunsch, als böse Stiefmutter die Kinder im Wald auszusetzen? Welche Rolle spielt in den Märchen Sodomie?

Darüber hinaus werden in einer herrlich schnoddrig-umgangssprachlichen Art die Sekkyo-Erzählungen kurz illustriert: Da wären unter anderem „Oberst Iguri“, der nach 72 Ehen endlich seine wahre Liebe Terute trifft, ermordet wird, als ein groteskes Figürchen wieder aufersteht, geläutert in seine wahre Gestalt zurückkehrt und Rache nimmt. „Der reiche Sansho“ versklavt ein Geschwisterpaar: Der Bruder Zushio kann entkommen, während die Schwester Anju zu Tode gefoltert wird. Zushio kann schließlich Rache für Anjus Tod am reichen Sansho nehmen. Und auch „Shintokumaru“, „Aigonowaka“, „Das Weib aus Shinoda“, „Urikohime“ und „Momotaro“ werden vorgestellt um schließlich mit den Märchen der Gebrüder Grimm und Kafkas Gregor aus „Die Verwandlung“ verglichen zu werden.

Doch „Das anarchische Aschenputtel“ ist alles andere als ein wissenschaftlicher Text. Vielmehr erscheint es so, als ob Hiromi Ito und Masahiko Nishi ihren Gedanken freien Lauf lassen, Thesen aufstellen, um sie an anderer Stelle vielleicht wieder zu verwerfen. Schließlich kommen sie aber doch zu einem wesentlichen Schluss zum Thema Märchen:

„Wir sollten sie unbedingt als nichtabgeschlossene, zusammenhängende Geschichten lesen. Die Tatsache, dass sich so viele Märchen in Aufbau und Stil ähneln, zeigt, dass auf Leute Rücksicht genommen wurde, die sie wie wir als Fortsetzungsgeschichte lesen wollen.“ (S. 113)  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen