Daher begleitet der Leser die Studentin Yuri bei ihrem Alltag: Wie sie die Uni schwänzt, sich mit Freundinnen trifft, Shoppen geht, eine Affäre in einem Love Hotel hat, dennoch glücklich mit ihrem Freund ist, sich als Model etwas dazuverdient, durch Kneipen zieht.
Yasuo Tanaka hat dieser Generation von Großstadtjugendlichen in den 80er Jahren auch in der Realität ein Etikett aufgeklebt – die „Kristall Kids“. Yuris Liebhaber Masataka versteht darunter:
„Kristall, meinst du… ja, wir überlegen nicht groß wie die Nachwuchsphilosophen: Jugend, was ist das? Liebe, was ist das? Wir lesen auch nicht besonders viel und begeistern uns nicht wie die Verrückten für eine Sache, hab ich recht? Aber wir haben weder Stroh im Kopf, noch sind wir benebelt. Wir sind nicht unnahbar, aber den Leuten auf der Pelle hängen wir schon gar nicht. Und so einfältig, die Meinungen anderer unbesehen zu schlucken, sind wir auch nicht.“ (S.101)
Was ebenso an den „Kristall Kids“ auffällt, ist ein extremes Konsumverhalten und eine enorme Begeisterung für westliche Produkte und Eigenarten. Und dennoch entkommen sie der japanischen Tradition nie ganz. Die Studentinnen streben doch insgeheim nach einem Leben als Ehefrau, auch wenn sie noch so sehr jedwede traditionelle Lebensweise vordergründig als lächerlich erachten.
Ungewöhnlich ist dahingegen die Struktur des Buches: Auf der recht Seite läuft jeweils der Fließtext, während die linke Seite gespickt ist mit Fußnoten. Hier werden die damals aktuellen Musiker, Trends, Läden und Bars ausgiebig kommentiert, manchmal ironisch, manchmal faktisch.
Dem Roman nachgestellt sind unter anderem Interviews mit den Übersetzerinnen, die damals als Studentinnen im vierten Semester der Japanologie in den Semesterferien die „Kristall Kids“ ins Deutsche übersetzt haben. Das macht das Buch gleich um einiges liebenswürdiger und zeigt auf, wie viel Herzblut in einer Übersetzung stecken kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen