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Sonntag, 17. April 2011

„Tokio Girl“ von Rika Yokomori

Saya lebt in den 80er Jahren während der japanischen „Bubble Economy“. Sie hat das Abitur gerade hinter sich gebracht und beginnt auf Drängen ihrer alleinstehenden Mutter ein Literaturstudium an einer Frauenuniversität. Die Mutter möchte für ihre Tochter eine bestmögliche Ausbildung und sieht Literatur als ein sehr renommiertes Studium an. Saya hingegen fügt sich nur deswegen, weil sie selbst nicht so recht weiß, was sie will. Hauptsache, sie kann sich selbst erst einmal in der Lebensphase Studium verorten und muss nicht weiter nachdenken. Nebenzu arbeitet sie als Hostess, um sich ihren Lebensstil leisten zu können. Der Job ödet sie an, jedoch prostituiert sie sich oft für Geld; liegt dabei aber nur da „wie ein toter Thunfisch“. Alles ändert sich, als der erfahrene Herr Hotta, dem Saya den Kosenamen Bogey gibt, in ihr Leben tritt. Für Saya wird er Vaterersatz und Liebhaber in einem.

Bogey macht halb legale, halb illegale Börsengeschäfte und schwimmt in Geld. Saya studiert zwar weiter, widmet sich aber Bogeys Haushalt wie eine Ehefrau und lässt sich von ihm mit Designerkleidung ausstatten. Als die Börsengeschäfte auffliegen, folgt der Abstieg…

„Tokio Girl“ von Rika Yokomori gibt Einblick in ein sehr oberflächliches, naives Leben in den 80ern, das Konsum als das oberste Ziel erhebt. Daher bleibt die Person Saya auch irgendwie unzugänglich. Sie langweilt sich permanent – und der Leser langweilt sich mit. Selbst als Bogey sie zu einer Abtreibung zwingt, bleibt sie seltsam teilnahmslos. Das Buch entbehrt über ganze Strecken eine relevante Handlung und Tiefgang. Warum Saya mit Bogey zusammen ist und ihn schließlich sogar heiratet, wird nicht klar. Und nach manchen Passagen kann man nur verwundert den Kopf schütteln:

„‚Okay’, konterte er, ‚Zeit für die erste Partie und für den ersten Fick!’ Es waren besinnliche Tage.“ (S. 113)

Trotzdem gelingt es dem Buch, eindrückliche Kritik an der Rolle der Frau in der japanischen Gesellschaft zu üben. Insofern lässt sich Sayas Orientierungslosigkeit doch zumindest etwas nachvollziehen. Denn ein Studium bedeutet für Frauen nicht primär, sich auf ein erfolgreiches Arbeitsleben vorzubereiten. Es ist ein Statusmerkmal, um einen guten Ehemann und Versorger aus einer höheren Gesellschaftsschicht zu bekommen. Die Frauen, die nach dem Studium dennoch an Karriere denken, werden herbe enttäuscht: Sie werden zukünftig den gleichermaßen ausgebildeten Männern im Unternehmen den Tee kochen und mit einem Hungerlohn abgespeist.

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