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Dienstag, 14. August 2012

„Der Fang“ von Kenzaburo Oe

Ein typischer Kenzaburo Oe-Schauplatz: Ein abgeschiedenes Dorf. Der zweite Weltkrieg liegt in den Endzügen. Ein US-amerikanisches Flugzeug stürzt in den Bergen ab. Nur einer der Insassen, ein Afroamerikaner, überlebt und wird von den Dorfbewohnern gefangen genommen. Der Feind wird in ein Kellerloch gesteckt. Insbesondere die Kinder sind fasziniert von dem großgewachsenen, feindlichen Soldaten, der eine völlig andere Hautfarbe hat.

Der Ich-Erzähler, ein heranwachsender Junge, nähert sich dem Soldaten immer mehr an, da er für seine Versorgung mit Nahrungsmittel zuständig wird. Bald weicht jegliche Scheu der Dorfbewohner vor dem Fremden und der Soldat wird nur noch als harmloses Haustier erachtet, das sich sogar relativ frei im Dorf bewegen kann. Doch in dem Haustier schlummert immer noch der Feind, der um sein Überleben ringt. Das Dorf, das bisher kaum Auswirkungen des Kriegs verspürt hat, erlebt sein eigenes Kriegsdrama, das den Ich-Erzähler abrupt erwachsen werden lässt.

Kenzaburo Oe erhielt mit 23 Jahren für „Der Fang“ den Akutagawa-Literaturpreis. Wie schnell aus Feinden Freunde, aus Freunden Feinde werden können, zeigt die Erzählung eindrücklich auf.

Bibliographische Angaben:
Oe, Kenzaburo: „Der Fang“, Suhrkamp, Frankfurt 1995, ISBN 3-518-22178-7 

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