„Teufelskind“ von Natsuo Kirino ist im Japanischen als „Es tut mir leid, Mutter“ erschienen. Dieser Titel erscheint mir ein bisschen besser geeignet als „Teufelskind“. Denn ein Kind ist die Protagonistin Aiko schon lange nicht mehr. Vielleicht war sie nie richtig Kind: Die Frau in den 40ern wuchs in einem Bordell als verstoßene Tochter einer Prostituierten auf. Liebe hatte sie nie erfahren, sondern musste als Fußabtreter für die Launen der Huren herhalten. Die Schule konnte sie erst besuchen, als die Puffmutter starb und sich das Bordell auflöste. Doch Aiko blieb das Gespött im Kinderheim: Sie hat keine Mutter, weiß nichts über ihre Herkunft und spricht mit der einzigen Hinterlassenschaft ihrer Mutter, ausgetretenen Pantoffeln, die sie wie einen Schatz hütet. Doch Aiko beginnt sich zu rächen; Brandanschläge sind ihr Spezialgebiet.
Wie auch in „Die Umarmung des Todes“ wird die Geschichte aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Da ist die ehemalige Erzieherin Misae, die zwischenzeitlich das nun erwachsene Heimkind Minoru geheiratet hat und nach wie vor dessen „Mama“ ist. Ryuzo, zeitweise Aikos Pflegevater, entdeckt seine Leidenschaft für das Tragen von Frauenkleidern – am liebsten die seiner bettlägerigen Ehefrau. Shizuko, bei der Aiko als Haushälterin anheuert, managt die Hotels ihres Ehemanns, eines bekannten Schürzenjägers, der keine Gelegenheit auslässt, Shizuko zu hintergehen. Masayo, die nur ganz kurz Aikos Weg kreuzt, ist die frustrierte Ehefrau eines Wäschereibesitzers: Ihre Ehe gleicht einem Haussklavinnendasein. Und dann sind da die diversen Schicksale der gealterten Prostituierten aus dem Bordell, in dem Aiko aufwuchs.
Ein Nachwort von Elke Kreil beschreibt die Motivation Natsuo Kirinos, auf die Perspektivlosigkeit von japanischen Frauen aufmerksam zu machen. Vor diesem Hintergrund machen die kurz angerissenen Schicksale der einzelnen Frauen insbesondere Sinn.
„Teufelskind“ ist ein spannender Roman mit einer sehr unsympathischen Anti-Heldin. Natsuo Kirino gelingt es, den Leser ab der ersten Seite in den Bann zu ziehen, wenn auch mit teilweise sehr absonderlichen Gegebenheiten und Geschichten.
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