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Montag, 30. Mai 2011

„Afterdark“ von Haruki Murakami

„Afterdark“ von Haruki Murakami ist die Geschichte einer Nacht in Tokio. Es ist auch die Geschichte der ungleichen Schwestern Mari und Eri. Eri, ein Model Anfang 20, ist in einen wochenlangen Schlaf gefallen. Sie erwacht immer nur kurz, unbemerkt von ihrer Familie, um zu essen und sich zu waschen, fällt aber wie Dornröschen sofort wieder in einen komatösen Dauerschlaf. Nichts und niemand kann sie wecken.

Die Studentin Mari, die sich zeitlebens wie ein hässliches Entlein neben Eri gefühlt hat, trifft nachts zufällig auf den Bekannten Takahashi, den sie flüchtig aus Schulzeiten kennt. In dieser Nacht begegnen sich die beiden noch zwei weitere Male und kehren voreinander langsam ihr Innerstes nach außen.

Und dann gibt es da auch noch Kaoru, in deren Love Hotel Alphaville eine junge, chinesische Prostituierte von ihrem Freier verprügelt und nackt, ohne Besitztümer zurückgelassen wird. Der Übeltäter ist der Informatiker Shirokawa: Im Beruf extrem rational – aber offensichtlich mit einem zweiten, im Verborgenen liegenden Gesicht.

Haruki Murakami beschreibt die Nacht wie eine zweite Welt, eine zweite Realitätsebene.

„In der Nacht vergeht die Zeit auf ihre Weise. […] Es ist zwecklos, sich dagegen zu wehren.“ (S. 77)

Musik begleitet die Nachtschwärmer: „Five Spot After Dark“ gibt „Afterdark“ den Namen. „Sophisticated Lady“ von Duke Ellington ist die Musik der Nacht. Und „Jealousy“ der Pet Shop Boys trägt den Neid zu Tage, den Mari gegenüber Eri fühlt.

„Afterdark“ nimmt den Leser mit auf eine Beobachtungstour ins nächtliche Tokio. Wie mit einer fliegenden, unsichtbaren Kamera werden die Geschehnisse aufgezeichnet. Hintergründe über die Personen erfährt man fast ausschließlich über deren Gespräche. Durch den Erzählstil im Präsens wirken die Beobachtungen besonders kühl und sachlich. Und dennoch geht von dieser Nacht eine besondere zwischenmenschliche Wärme aus. Neue Freundschaften entwickeln sich und zwei entfremdete Schwestern finden hoffentlich wieder zueinander.

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