Im Urlaub wurde ich auf den Titel und das Cover von Riku Ondas „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ angesprochen. Irgendwie hat sich die Fragestellerin davon angesprochen gefühlt und gemeint, dass das doch sicherlich ein leicht-beschwingter Sommer-Roman sei. Das Gesicht der Dame hat sich dann schnell verdunkelt als ich meinte, dass das nicht der Fall sei, sondern dass das Thema des Romans eher die inzestuöse Beziehung zwischen Bruder und Schwester sei. Daher keine lustige Urlaubslektüre.
Riku Onda beschwört eine seltsame Atmosphäre herauf, als sie den jungen Mann Chihiro auf seine getrennt von ihm aufgewachsene Schwester Aki treffen lässt und die beiden eine Geschwister-WG gründen. Doch lieben die beiden sich wirklich nur wie Bruder und Schwester? Oder machen sie sich nur etwas vor - ist es nicht eine romantische Liebe zwischen Mannd und Frau?
In einer Frühsommernacht sitzen die beiden in der gemeinsamen Wohnung zusammen, bevor jeder wieder eigene Wege gehen will. Riku Onda lässt beide abwechselnd in der Ich-Perspektive zu Wort kommen. Wie schön es war, sich nach so langer Zeit der Trennung wieder gefunden zu haben. Wie irritiert die Bekannten auf ihre WG-Gründung reagiert hat. Welche gemeinsamen Erinnerungen sie haben – und vor allem: Was ist damals auf einer gemeinsamen Bergwanderung wirklich passiert? Wer ist für den Tod des Bergführers verantwortlich? Was hat sich damals wirklich ereignet? Wer hat was zu verbergen?
Nach der langen Nacht ist nicht nur der Leser froh, dass diese Tour de Force am nächsten Morgen zu Ende ist. Denn tatsächlich war der Roman recht beklemmend. Sommernacht, anstrengende Gespräche, eine Ahnung von inzestuöser Liebe, ggf. Mord – keine luftig-leichte Kost. Aki und Hiro beäugen sich, misstrauen einander und kommen aber gemeinsam Stück für Stück diversen Wahrheiten auf die Spur.
Wer mal etwas Außergewöhnliches lesen will, der ist bei „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ sehr gut aufgehoben. Momentan scheinen japanische Romane, die auf das langsam überstrapazierte Erfolgsrezept à la „Das magische Café“ setzen, besonders gern veröffentlicht zu werden. Da bietet „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ schon eine andere Qualität des Lesevergnügens: Spannung, Beklemmung, vielleicht sogar ein bisschen Abscheu. Eben außergewöhnlich…
Bibliographische Angaben:
Onda, Rika: „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Bartels, Nora), Atrium Verlag, Zürich 2023, ISBN 978-3-85535-024-7
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