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Samstag, 6. April 2024

„Superhits der Showa-Ära“ von Ryu Murakami

Ein Vergleich zwischen den beiden Murakamis drängt sich ja gern auf. Also versuche ich es mal mit dem hier: Wenn Haruki Murakami die Beatles ist, dann sag ich wohlgemerkt nicht, dass Ryu Murakami für die Rolling Stones steht. Das ist für „Superhits der Showa-Ära“ noch zu harmlos. Der Roman ist Black Sabbath, in dem Moment als Ozzy Osbourne einer Fledermaus den Kopf abbeißt.

Ryu Murakami gibt im Nachwort an, dass er den Roman in einer Schaffenskrise kreiert und sich beim Schreiben herrlich amüsiert hat. Der Autor zieht zwei Personenkreise, die gelangweilt in Stagnation verharren, heran. Da sind die sechs jungen Kerle, die sich in Nobues Bude treffen und erst dann ein bisschen Leben beim Spannen in sich verspüren, als sie die attraktive Nachbarin von Gegenüber beim Ausziehen beobachten können.

Und da sind die sechs Frauen Ende 30, die alle Midori heißen und inzwischen ohne Partner leben. Sie haben sich eigentlich nichts zu sagen, hören sich auch nicht zu und scheinen außer dem Namen und einer Passion für Karaoke nichts gemeinsam zu haben.

Als Sugioka aus der Männergruppe eine der Midoris tötet, geht es für die Frauen nur noch um Rache. Und man glaubt es kaum: Einmal aus der Langeweile ausgebrochen, leben die Frauen auf – und ein Kampf zwischen durchgeknallten Jungspunden und „alten“ Tanten beginnt.

Ein Eisenwarenhändler, der den jungen Männern eine illegale Waffe verkauft, orakelt:

„Es heißt doch immer, was übrig bleibt, wenn die Menschheit zu Grunde geht, wären die Schaben. Des stimmt nicht. Es sind die Tanten.“ (S. 72)

Wer weiß, ob der Mann Recht hat? Wer kann sich in dem Kampf Mann gegen Frau, jung gegen alt am besten behaupten?

Auf den hinteren Seiten taucht gar kurz ein Filmregisseur (Ryu Murakamis Alter Ego?) auf und gibt sein Konzept von „Tanten“ wider:

„Kompliziert ausgedrückt, sind Tanten Lebewesen, die aufgehört haben, sich weiterzuentwickeln. Nicht nur junge Frauen, sondern auch junge Männer, Männer im mittleren Alter und sogar Kinder werden augenblicklich zur Tante, wenn sie den Willen verlieren, sich weiterzuentwickeln.“ (S. 185 f.)

Natürlich ist „Superhits der Showa-Ära“ irre übertrieben - wie man es auch von anderen Romane Ryu Murakamis kennt. Aber genau das macht den Lesespaß aus. Die jungen Kerle sind total durchgeknallt, die Midoris so austauschbar wie ihr Vorname, zusätzliche Akteure wie nicht von dieser Welt. Wie kann man Kritik an einer in Stagnation verharrenden Gesellschaft besser verpacken?

Bibliographische Angaben:
Murakami, Ryu: „Superhits der Showa-Ära“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Leupert, Jan Magnus), Septime, Wien 2024, ISBN 978-3-99120-034-5

1 Kommentar:

  1. Das Buch steht seit der Vorankündigung auf meiner Wunschliste. Danke für die Besprechung - nun freue ich mich erst recht darauf!

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