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Montag, 24. September 2012

„Die Teufel des Tsurugi-Bergs“ von Osamu Dazai

In Osamu Dazais Vorwort von „Die Teufel des Tsurugi-Bergs“ zeichnet der Autor zweifellos ein Bild seiner selbst: Er kauert zusammen mit seiner Familie während eines Bombenangriffs im Luftschutzgraben und versucht, seine Tochter mit dem Vorlesen aus einem Märchen-Bilderbuch ruhig zu stellen. Doch in ihm gärt es, die Geschichten würde er gerne auf seine eigene Art erzählen. Und das tut Osamu Dazai dann auch in „Die Teufel des Tsurugi-Bergs“.

Er beginnt mit „Der Mann mit der Beule“: Ein alter Mann, dem Sake ziemlich zugetan, lebt mit seiner grantigen Ehefrau und seinem besonders tugendhaften Sohn recht spaßbefreit dahin. Seit einigen Jahren hat er eine Beule im Gesicht, die er ganz gerne als sein Enkelkind bezeichnet. Von seinem Streber-Sohn hat er ja schließlich kaum Nachwuchs zu erwarten. Als der Alte eines Abends angeheitert nach dem Reisigsammeln auf dem Tsurugi-Berg einschläft, wird er von den gutmütigen, tanzenden Teufeln geweckt. Immer noch angesäuselt hat der Alte seinen Spaß dabei, sich zu den tanzenden Teufeln zu gesellen. Die finden den Alten so goldig, dass sie ihn zwingen möchten, in der nächsten Nacht erneut zum Tanz zu kommen – und behalten die Beule als Pfand. Zurück in seinem Heimatdorf erregt der plötzliche Verlust des Furunkels einiges Aufsehen. Auch ein anderer von Beulen geplagter Einwohner möchte nun seine Heilung bei den Teufeln des Tsurugi-Bergs suchen...

„Urashima Taro“ ist das bekannte Märchen über den jungen Mann, der von einer Schildkröte, der er das Leben gerettet hat, zum Dank in den Drachenpalast im Meer geführt wird. Doch die Zeit vergeht Oberirdisch leider etwas anders als unter Wasser. Soweit die Handlung – interessanter sind jedoch Osamu Dazais Dialoge zwischen dem doch recht eingebildeten Jüngling und der Schildkröte, die ihn immer wieder in seine Schranken weist. Denn im Drachenpalast ist er doch nur ein lumpiger Provinzler.

In „Der Kachikachi-Berg“ geht’s recht fies zur Sache. Ein Häschen will Rache an einem Tanuki üben – hat der doch eine befreundete Frau umgebracht. Da der dumpfbackige Tanuki über alle Ohren in das Häschen verschossen ist, spielt das dem listigen Häschen in die Hände. Der Ärmste wird auf seinem Weg in den Abgrund ganz schön leiden müssen.

„Der Sperling mit der abgeschnittenen Zunge“ handelt von einem phlegmatischen Alten und seiner missmutigen Ehefrau. Als der Alte einen verletzten Sperling im Wald aufliest, hat er einen neuen, kleinen Freund gefunden, den er wieder aufpäppelt. Aus Eifersucht reißt die Ehefrau dem Vögelchen die Zunge heraus; der Sperling flattert auf und davon. Doch der Alte wird seinen Freund wieder sehen – ebenso die eifersüchtige Ehefrau.

Osamu Dazais Märchen leben vor allem von den lebhaften Dialogen der Protagonisten und den bildlichen, überspitzten Charakterisierungen. Deswegen musste auch das Märchen von „Momotaro“ unangetastet bleiben – musste dieser Held doch während der Kriegszeit als Propagandavorbild herhalten und durfte keinesfalls in Misskredit geführt werden. Doch auch Osamu Dazais umgesetzte Neuinterpretationen der Märchen sind eng mit dem Krieg verknüpft:

„ich schrieb es also in meinen Mußestunden nach und nach fort als ein Buch, das den Menschen, die tapfer zur Überwindung dieser dunklen Zeit Japans kämpfen, in ihrer spärlichen Freizeit zum bescheidenen Trost gereichen möge.“ (S. 105)

Dem Werk nachgestellt sind die Originalmärchen. Liest man diese zum Vergleich, zeigt sich erst recht das literarische Genie des Osamu Dazai. Er entstaubt die Märchen, fügt enormen Sprachwitz und seine eigenen Interpretationen der Moral hinzu. Wer möchte da nicht zusammen mit dem beschwipsten Alten ein kleines Tänzchen mit den Teufeln des Tsurugi-Berges wagen?

Bibliographische Angaben:
Dazai, Osamu: „Die Teufel des Tsurugi-Bergs“, be.bra, Berlin 2012, ISBN 978-3-86124-915-3

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