Fuminori Nakamuras "Der Revolver" ist die Geschichte einer Besessenheit: Der Student und Protagonist Nishikawa findet an einem schauerlichen Regentag unter einer Brücke einen Revolver - neben einem mutmaßlichen Selbstmörder aus dem Yakuza-Milieu. Der Revolver zieht in magisch an und so entwendet Nishikawa die Waffe kurzerhand vom Tatort. Zu Hause genießt er es, den Revolver zu berühren, ergötzt sich an der funktionalen Schönheit des Werkzeugs des Todes.
Allein durch den Besitz des Revolvers nimmt Nishikawas Leben neue Fahrt auf. Der Revolver wirkt auf ihn wie eine Droge, die ihn high macht und den ehemals faden Alltag glänzen lässt.
Doch irgendwann drängt es ihn, einen Schritt weiter zu gehen: Wann und wie lässt sich ein Abfeuern der Waffe denn endlich realisieren? Nishikawa merkt sehr wohl, dass er von dem Revolver besessen ist. Doch er vermag nicht, sich von ihm zu trennen. Zu schrecklich ist die Vorstellung, dass er in sein früheres, langweiliges Leben zurückkehren müsste, wenn er den Revolver nicht mehr sein Eigen nennen könnte.
Die Bestimmung der Waffe, zum Töten verwendet zu werden, dringt immer stärker in Nishikawas Bewusstsein. Wird sich Nishikawa gegen die Macht des Revolvers behaupten können?
Die Lektüre von Fuminori Nakamuras "Der Revolver" hat Spaß gemacht. Ein Nobody gerät in den Sog einer gefährlichen Macht. Wird es ihm gelingen, sich zu retten? Auch wenn der Roman nur partiell spannend ist, überträgt sich ein gewisses Flirren von Nishikawas Besessenheit auch auf den Leser. Und das Ende des Romans: sensationell!
Bibliographische Angaben:
Nakamura, Fuminori: "Der Revolver" (Übersetzung aus dem Japanischen: Eggenberg, Thomas), Diogenes, Zürich 2019, ISBN 978-3-257070613
Donnerstag, 7. November 2019
Freitag, 1. November 2019
"2" von Hideo Yokoyama
Wer Hideo Yokoyamas "64" bereits gelesen hat, wird sich denken können, dass das Label "Thriller", das der Atrium Verlag aufs Cover gesetzt hat, wohl auch diesmal wieder nur bedingt zutrifft. Den Titel "2" darf man wörtlich nehmen, denn die Veröffentlichung enthält zwei Geschichten. Der Leser trifft in beiden Erzählungen alte Bekannte aus "64" wieder. Insbesondere der eher unsympathische Futawatari, seines Zeichens Inspektor der Verwaltungsabteilung der Präfektur, als solcher verantwortlich für sämtliche Versetzungsangelegenheiten und daher von allen Kollegen gefürchtet, hat in beiden Erzählungen seinen Auftritt und wird in "2" durchaus menschlicher gezeichnet als in "64".
In der ersten Geschichte "Zeit der Schatten" ist Futawatari die zentrale Figur. Gerade hat er seine regelmäßigen Versetzungspläne abgeschlossen, ereilt ihn die Nachricht, dass der ehemalige Direktor des Kriminaluntersuchungsamts Osakabe und nun Vorstand einer Stiftung seinen Posten keinesfalls räumen wird. Ein Skandal und ein ungeheuerliches Vorgehen, das Futawataris Pläne durcheinanderwirbelt. Als Futawatari dem Ganzen auf den Grund gehen will, stößt er auf einen alten, nie aufgeklärten Fall aus Osakabes Umfeld.
"Schwarze Linien" sind das täglich Brot der Kommissarin Mizuho Hirano: Im Team der Spurensicherung ist sie diejenige, die die Phantombilder zeichnet. Als sie eines Tages nicht zum Dienst erscheint, klingeln nicht nur bei Tomoko Nanao, die sich um die weiblichen Kolleginnen kümmert, die Alarmglocken. Gerade konnte ein Fall wegen Mizuhos Fähigkeiten erfolgreich abgeschlossen werden. Daher könnte ein Racheakt hinter Mizuhos Verschwinden stecken. Tomoko geht aber noch weiteren Spuren nach, um Mizuho zu finden.
"2" bietet nicht sonderlich viel Spannung, sondern eher einen ungewöhnlichen Einblick in den japanischen Polizeiapparat, wie es auch bei "64" der Fall ist. So wird in der ersten Erzählung von der Praxis berichtet, pensionierten Führungskräften zum Rentenbeginn Posten in Stiftungen zu verschaffen, um ihnen weiterhin ein prestigekräftiges Aufgabenfeld zu eröffnen. In der zweiten Erzählung geht es um den Alltag von Frauen bei der Polizei. Allerdings empfand ich die weibliche Perspektive eher recht klischeehaft geschildert.
Bibliographische Angaben:
Yokoyama, Hideo: "2" (Übersetzung aus dem Englischen: Roth, Sabine), Atrium, Zürich 2019, ISBN 978-3-85535-065-0
In der ersten Geschichte "Zeit der Schatten" ist Futawatari die zentrale Figur. Gerade hat er seine regelmäßigen Versetzungspläne abgeschlossen, ereilt ihn die Nachricht, dass der ehemalige Direktor des Kriminaluntersuchungsamts Osakabe und nun Vorstand einer Stiftung seinen Posten keinesfalls räumen wird. Ein Skandal und ein ungeheuerliches Vorgehen, das Futawataris Pläne durcheinanderwirbelt. Als Futawatari dem Ganzen auf den Grund gehen will, stößt er auf einen alten, nie aufgeklärten Fall aus Osakabes Umfeld.
"Schwarze Linien" sind das täglich Brot der Kommissarin Mizuho Hirano: Im Team der Spurensicherung ist sie diejenige, die die Phantombilder zeichnet. Als sie eines Tages nicht zum Dienst erscheint, klingeln nicht nur bei Tomoko Nanao, die sich um die weiblichen Kolleginnen kümmert, die Alarmglocken. Gerade konnte ein Fall wegen Mizuhos Fähigkeiten erfolgreich abgeschlossen werden. Daher könnte ein Racheakt hinter Mizuhos Verschwinden stecken. Tomoko geht aber noch weiteren Spuren nach, um Mizuho zu finden.
"2" bietet nicht sonderlich viel Spannung, sondern eher einen ungewöhnlichen Einblick in den japanischen Polizeiapparat, wie es auch bei "64" der Fall ist. So wird in der ersten Erzählung von der Praxis berichtet, pensionierten Führungskräften zum Rentenbeginn Posten in Stiftungen zu verschaffen, um ihnen weiterhin ein prestigekräftiges Aufgabenfeld zu eröffnen. In der zweiten Erzählung geht es um den Alltag von Frauen bei der Polizei. Allerdings empfand ich die weibliche Perspektive eher recht klischeehaft geschildert.
Bibliographische Angaben:
Yokoyama, Hideo: "2" (Übersetzung aus dem Englischen: Roth, Sabine), Atrium, Zürich 2019, ISBN 978-3-85535-065-0
Mittwoch, 4. September 2019
"Schuldig" von Kanae Minato
Bereits die erste deutsche Veröffentlichung von Kanae Minato "Geständnisse" hat mich nicht hundertprozentig überzeugt. Dieses Frühjahr gab es mit "Schuldig" ein zweites Werk der Autorin in deutscher Übersetzung. Doch um es gleich vorweg zu nehmen: Auch dieser Roman hat es weder geschafft, mich in seinen Bann zu ziehen, noch irgendwie einen plausiblen Plot zu kreieren.
Im Zentrum der Geschichte steht der junge Mann Fukase, Typ Loser. Trotz Universitätsabschluss hat er es nur in die Verkaufsabteilung eines kleinen Schreibwarenhandels geschafft. Mit menschlichen Kontakten tut er sich allgemein eher schwer. Sein einziges Talent, das ihm auch den Respekt seiner Kollegen einbringt, ist das Kaffeekochen. Während bei Haruki Murakami Loser-Typen sympathisch wirken, bleibt Fukase furchtbar blass, wenig liebenswert, eher bedauernswert. Und noch ein Murakami-Vergleich: Ein Spaghetti-kochender Murakami-Protagonist ist leider auch sehr viel spannender als Fukase, der über Kaffeebohnen sinniert.
Eines Tages wird Fukase in einem anonymen Schreiben als Mörder bezeichnet. Und in der Tat gibt es ein dunkles Geheimnis in Fukases ansonsten sehr eintönigem Dasein: Ein Abend in den Bergen und ein tragischer Unfall sind die Zutaten für ein einschneidendes Ereignis in Fukases Vergangenheit.
Aufgeschreckt durch die mysteriöse Nachricht nimmt Fukase Kontakt zu seinen ehemaligen Kommilitonen auf, die ebenfalls Zeugen der Unglücksnacht waren. Schließlich wird er sich auf die Suche nach dem Absender, der den Männern einen Mord vorwirft, machen.
Manche Wendungen in Kanae Minatos "'Schuldig" sind recht abwegig und auch ansonsten ist das Werk reichlich unspannend, manchmal sogar recht langweilig. Das Ende hat mich ein bisschen enttäuscht und zu einer kleinen Google-Recherche veranlasst. Mit dem Ergebnis, dass da etwas doch sehr an den Haaren herbeigezogen wurde (aus Spoilergründen hierzu aber lieber keine Details).
Bibliographische Angaben:
Minato, Kanae: "Schuldig" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), C.Bertelsmann, München 2019, ISBN 978-3-570-10367-8
Im Zentrum der Geschichte steht der junge Mann Fukase, Typ Loser. Trotz Universitätsabschluss hat er es nur in die Verkaufsabteilung eines kleinen Schreibwarenhandels geschafft. Mit menschlichen Kontakten tut er sich allgemein eher schwer. Sein einziges Talent, das ihm auch den Respekt seiner Kollegen einbringt, ist das Kaffeekochen. Während bei Haruki Murakami Loser-Typen sympathisch wirken, bleibt Fukase furchtbar blass, wenig liebenswert, eher bedauernswert. Und noch ein Murakami-Vergleich: Ein Spaghetti-kochender Murakami-Protagonist ist leider auch sehr viel spannender als Fukase, der über Kaffeebohnen sinniert.
Eines Tages wird Fukase in einem anonymen Schreiben als Mörder bezeichnet. Und in der Tat gibt es ein dunkles Geheimnis in Fukases ansonsten sehr eintönigem Dasein: Ein Abend in den Bergen und ein tragischer Unfall sind die Zutaten für ein einschneidendes Ereignis in Fukases Vergangenheit.
Aufgeschreckt durch die mysteriöse Nachricht nimmt Fukase Kontakt zu seinen ehemaligen Kommilitonen auf, die ebenfalls Zeugen der Unglücksnacht waren. Schließlich wird er sich auf die Suche nach dem Absender, der den Männern einen Mord vorwirft, machen.
Manche Wendungen in Kanae Minatos "'Schuldig" sind recht abwegig und auch ansonsten ist das Werk reichlich unspannend, manchmal sogar recht langweilig. Das Ende hat mich ein bisschen enttäuscht und zu einer kleinen Google-Recherche veranlasst. Mit dem Ergebnis, dass da etwas doch sehr an den Haaren herbeigezogen wurde (aus Spoilergründen hierzu aber lieber keine Details).
Bibliographische Angaben:
Minato, Kanae: "Schuldig" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), C.Bertelsmann, München 2019, ISBN 978-3-570-10367-8
Labels:
Einsamkeit,
Freundschaft,
Kanae Minato,
Krimi,
Liebesbeziehung,
Rezensionen,
Tod
Donnerstag, 15. August 2019
"Augenblicke in Bernstein" von Yoko Ogawa
"Augenblicke in Bernstein" ist sicherlich die ruhigste, handlungsärmste Yoko Ogawa-Veröffentlichung in deutscher Übersetzung bisher. Es ist die Geschichte eines erzwungenen Rückzugs aus der Gesellschaft: Nach dem Tod ihres vierten Kindes beschließt eine zwischenzeitlich allein erziehende Mutter, aufs Land in das leerstehende Haus des Kindervaters zu ziehen. Sie selbst geht zum Arbeiten in ein Kurhotel, während die Kinder versteckt auf dem Gelände des alten Hauses aufwachsen.
Die Mutter macht ihnen glauben, dass außerhalb der Mauern des Grundstücks der böse Hund lauert, der die jüngste Tochter kurz vor deren Tod gebissen hat. Demonstrativ bewaffnet sich die Mutter jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit ins Kurhotel aufbricht, um sich im Falle eines Angriffs gegen den Hund verteidigen zu können.
Die Kinder sollen nicht nur die Außenwelt vergessen, sondern bestenfalls auch ihre bisherigen Namen. Als die älteste Schwester dazu aufgefordert wird, blättert sie eine beliebige Stelle in einem Nachschlagewerk auf und erhält den Namen des dort erklärten Begriffs: Opal. Das zweitälteste Kind, ein Junge, wird künftig Bernstein genannt, der jüngste Sohn heißt nun Achat. Eingeschlossen in die Mauern des Anwesens erleben sie eine Kindheit voller Fantasie, gekleidet in kindliche Kostüme, die die Mutter näht. Doch bereits ganz am Anfang des Buches wird klar, dass der abgeschottete Aufenthalt auf dem Grundstück nicht von Dauer sein wird.
"Augenblicke in Bernstein" ist für mich eher ein Buch für ruhige Winterabende, weswegen ich das Buch eher in ein Herbst-/Winterverlagsprogramm gesteckt hätte. Für den Sommer war mir der Roman ein bisschen zu ruhig. Aber dennoch wirkt die Handlung noch nach. Auch wenn der Grad der Freiheitsliebe unterschiedlich ist: Alle Kinder haben das Bedürfnis, die Welt da draußen zu entdecken und haben ihre eigenen Wege, wie sie das fremde Terrain für sich selbst entdecken. So wirft Bernstein Kletten über die Mauer. Sie reisen an seiner Stelle nach draußen, um ihrer Bestimmung gerecht zu werden. Den kleinen Achat lockt eine Katze nach außen. Und Opal wird von einem Hausierer becirct, der eines Tages das Gelände betritt. Auch die Mutter fährt regelmäßig in die nächste, größere Stadt, um Komplimente für ihr Aussehen einzuheimsen. Durch die angeborene Neugier der Kinder ist der Rückzug aus der Welt natürlich auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt.
Auf mich wirkt Bernstein, der die zentrale Figur des Romans ist, leider stets etwas blass. Viel herzerwärmender sind der kleine Achat, der einen eingebildeten Lehrmeister namens Meister Signal hat, oder auch Opal, die im Tutu nachts, beschienen vom Mondlicht, durch den Garten tanzt.
Bibliographische Angaben:
Ogawa, Yoko: "Augenblicke in Bernstein" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Liebeskind, München 2019, ISBN 978-3-95438-100-5
Die Mutter macht ihnen glauben, dass außerhalb der Mauern des Grundstücks der böse Hund lauert, der die jüngste Tochter kurz vor deren Tod gebissen hat. Demonstrativ bewaffnet sich die Mutter jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit ins Kurhotel aufbricht, um sich im Falle eines Angriffs gegen den Hund verteidigen zu können.
Die Kinder sollen nicht nur die Außenwelt vergessen, sondern bestenfalls auch ihre bisherigen Namen. Als die älteste Schwester dazu aufgefordert wird, blättert sie eine beliebige Stelle in einem Nachschlagewerk auf und erhält den Namen des dort erklärten Begriffs: Opal. Das zweitälteste Kind, ein Junge, wird künftig Bernstein genannt, der jüngste Sohn heißt nun Achat. Eingeschlossen in die Mauern des Anwesens erleben sie eine Kindheit voller Fantasie, gekleidet in kindliche Kostüme, die die Mutter näht. Doch bereits ganz am Anfang des Buches wird klar, dass der abgeschottete Aufenthalt auf dem Grundstück nicht von Dauer sein wird.
"Augenblicke in Bernstein" ist für mich eher ein Buch für ruhige Winterabende, weswegen ich das Buch eher in ein Herbst-/Winterverlagsprogramm gesteckt hätte. Für den Sommer war mir der Roman ein bisschen zu ruhig. Aber dennoch wirkt die Handlung noch nach. Auch wenn der Grad der Freiheitsliebe unterschiedlich ist: Alle Kinder haben das Bedürfnis, die Welt da draußen zu entdecken und haben ihre eigenen Wege, wie sie das fremde Terrain für sich selbst entdecken. So wirft Bernstein Kletten über die Mauer. Sie reisen an seiner Stelle nach draußen, um ihrer Bestimmung gerecht zu werden. Den kleinen Achat lockt eine Katze nach außen. Und Opal wird von einem Hausierer becirct, der eines Tages das Gelände betritt. Auch die Mutter fährt regelmäßig in die nächste, größere Stadt, um Komplimente für ihr Aussehen einzuheimsen. Durch die angeborene Neugier der Kinder ist der Rückzug aus der Welt natürlich auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt.
Auf mich wirkt Bernstein, der die zentrale Figur des Romans ist, leider stets etwas blass. Viel herzerwärmender sind der kleine Achat, der einen eingebildeten Lehrmeister namens Meister Signal hat, oder auch Opal, die im Tutu nachts, beschienen vom Mondlicht, durch den Garten tanzt.
Bibliographische Angaben:
Ogawa, Yoko: "Augenblicke in Bernstein" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Liebeskind, München 2019, ISBN 978-3-95438-100-5
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