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Donnerstag, 15. August 2019

"Augenblicke in Bernstein" von Yoko Ogawa

"Augenblicke in Bernstein" ist sicherlich die ruhigste, handlungsärmste Yoko Ogawa-Veröffentlichung in deutscher Übersetzung bisher. Es ist die Geschichte eines erzwungenen Rückzugs aus der Gesellschaft: Nach dem Tod ihres vierten Kindes beschließt eine zwischenzeitlich allein erziehende Mutter, aufs Land in das leerstehende Haus des Kindervaters zu ziehen. Sie selbst geht zum Arbeiten in ein Kurhotel, während die Kinder versteckt auf dem Gelände des alten Hauses aufwachsen.

Die Mutter macht ihnen glauben, dass außerhalb der Mauern des Grundstücks der böse Hund lauert, der die jüngste Tochter kurz vor deren Tod gebissen hat. Demonstrativ bewaffnet sich die Mutter jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit ins Kurhotel aufbricht, um sich im Falle eines Angriffs gegen den Hund verteidigen zu können.

Die Kinder sollen nicht nur die Außenwelt vergessen, sondern bestenfalls auch ihre bisherigen Namen. Als die älteste Schwester dazu aufgefordert wird, blättert sie eine beliebige Stelle in einem Nachschlagewerk auf und erhält den Namen des dort erklärten Begriffs: Opal. Das zweitälteste Kind, ein Junge, wird künftig Bernstein genannt, der jüngste Sohn heißt nun Achat. Eingeschlossen in die Mauern des Anwesens erleben sie eine Kindheit voller Fantasie, gekleidet in kindliche Kostüme, die die Mutter näht. Doch bereits ganz am Anfang des Buches wird klar, dass der abgeschottete Aufenthalt auf dem Grundstück nicht von Dauer sein wird.

"Augenblicke in Bernstein" ist für mich eher ein Buch für ruhige Winterabende, weswegen ich das Buch eher in ein Herbst-/Winterverlagsprogramm gesteckt hätte. Für den Sommer war mir der Roman ein bisschen zu ruhig. Aber dennoch wirkt die Handlung noch nach. Auch wenn der Grad der Freiheitsliebe unterschiedlich ist: Alle Kinder haben das Bedürfnis, die Welt da draußen zu entdecken und haben ihre eigenen Wege, wie sie das fremde Terrain für sich selbst entdecken. So wirft Bernstein Kletten über die Mauer. Sie reisen an seiner Stelle nach draußen, um ihrer Bestimmung gerecht zu werden. Den kleinen Achat lockt eine Katze nach außen. Und Opal wird von einem Hausierer becirct, der eines Tages das Gelände betritt. Auch die Mutter fährt regelmäßig in die nächste, größere Stadt, um Komplimente für ihr Aussehen einzuheimsen. Durch die angeborene Neugier der Kinder ist der Rückzug aus der Welt natürlich auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt.

Auf mich wirkt Bernstein, der die zentrale Figur des Romans ist, leider stets etwas blass. Viel herzerwärmender sind der kleine Achat, der einen eingebildeten Lehrmeister namens Meister Signal hat, oder auch Opal, die im Tutu nachts, beschienen vom Mondlicht, durch den Garten tanzt.

Bibliographische Angaben:
Ogawa, Yoko: "Augenblicke in Bernstein" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Liebeskind, München 2019, ISBN 978-3-95438-100-5

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