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Freitag, 21. Januar 2022

„Der Klang der Wälder“ von Natsu Miyashita

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen – das merkt Tomura, der Protagonist in Natsu Miyashitas „Der Klang der Wälder", recht schnell, als er die Schule für Klavierstimmer abgeschlossen hat. Denn außer dem schulischen Wissen braucht es vor allem Erfahrung. Sein Kollege Itadori hat von letzterem genug und wird von berühmten Musikern gebucht. Und auch Tomura ist schwer begeistert von ihm: Itadori hat einst das Klavier in Tomuras Oberschule gestimmt. Die Töne haben Tomura in Bildwelten abtauchen lassen und in ihm den Wunsch geweckt, ebenso Klavierstimmer zu werden.

Doch nun verdingt er sich erstmalig als Klavierstimmer und muss feststellen, dass die jahrlange Erfahrung seiner Kollegen sie um Welten professioneller macht.

„Der Klang der Wälder“ ist ein sehr handlungsarmer Roman. Wenn man so will, ist die fast einzige Spannung die, ob man nun Zeuge von Tomuras Scheitern oder seines erfolgreichen Werdegangs wird. Manchmal ist der Roman philosophisch oder geradezu quasi-religiös, manchmal eher technisch. Das macht sicherlich auch die Handlungsarmut wieder etwas wett.

Eine kleine Kostprobe:

„In gewisser Weise konnte ich jedoch nachvollziehen, dass Astronomie und Musik als Matrix der Welt galten. Man extrahiert aus dem unendlichen Sternenmeer einige wenige Exemplare, um sie in eine umrissene Form zu bringen. Beim Stimmen ist es ähnlich. Man erwählt schöne Dinge aus dem Gesamtgefüge der Welt, wo sie sich im aufgelösten Zustand befinden. Dabei geht man ganz behutsam vor, um die Schönheit in der Sichtbarmachung zu bewahren.

C, D, E, F, G, A, H – die sieben Töne beziehungsweise zwölf, wenn man die Halbtonschritte dazurechnet – werden herausgefiltert, bezeichnet und funkeln nun ebenso wie die Sternbilder. Es ist die Aufgabe des Stimmers, diese Töne aus dem unendlichen Klangkosmos herauszufischen und harmonisch zu arrangieren.“ (S. 211)

Neben dem musikalischen Ansatz lässt sich „Der Klang der Wälder“ auch als eine Parabel auf das Durchhalten, Sich-Durchbeißen zu lesen. Während es im deutschen Sprachgebrauch heißt, es ist kein Meister vom Himmel gefallen, so scheint es im Japanischen die Aussage zu geben, dass man erst nach zehntausend Stunden eine Meisterschaft erreichen kann (so belehrt Tomuras Kollegin den Job-Anfänger).

Bibliographische Angaben:
Miyashita, Natsu: „Der Klang der Wälder“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Insel, Berlin 2021, ISBN 978-3-458-17900-9

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