Doch nun verdingt er sich erstmalig als Klavierstimmer und muss feststellen, dass die jahrlange Erfahrung seiner Kollegen sie um Welten professioneller macht.
„Der Klang der Wälder“ ist ein sehr handlungsarmer Roman. Wenn man so will, ist die fast einzige Spannung die, ob man nun Zeuge von Tomuras Scheitern oder seines erfolgreichen Werdegangs wird. Manchmal ist der Roman philosophisch oder geradezu quasi-religiös, manchmal eher technisch. Das macht sicherlich auch die Handlungsarmut wieder etwas wett.
Eine kleine Kostprobe:
„In gewisser Weise konnte ich jedoch nachvollziehen, dass Astronomie und Musik als Matrix der Welt galten. Man extrahiert aus dem unendlichen Sternenmeer einige wenige Exemplare, um sie in eine umrissene Form zu bringen. Beim Stimmen ist es ähnlich. Man erwählt schöne Dinge aus dem Gesamtgefüge der Welt, wo sie sich im aufgelösten Zustand befinden. Dabei geht man ganz behutsam vor, um die Schönheit in der Sichtbarmachung zu bewahren.
C, D, E, F, G, A, H – die sieben Töne beziehungsweise zwölf, wenn man die Halbtonschritte dazurechnet – werden herausgefiltert, bezeichnet und funkeln nun ebenso wie die Sternbilder. Es ist die Aufgabe des Stimmers, diese Töne aus dem unendlichen Klangkosmos herauszufischen und harmonisch zu arrangieren.“ (S. 211)
Neben dem musikalischen Ansatz lässt sich „Der Klang der Wälder“ auch als eine Parabel auf das Durchhalten, Sich-Durchbeißen zu lesen. Während es im deutschen Sprachgebrauch heißt, es ist kein Meister vom Himmel gefallen, so scheint es im Japanischen die Aussage zu geben, dass man erst nach zehntausend Stunden eine Meisterschaft erreichen kann (so belehrt Tomuras Kollegin den Job-Anfänger).
Bibliographische Angaben:
Miyashita, Natsu: „Der Klang der Wälder“ (Übersetzung aus dem Japanischen:
Mangold, Sabine), Insel, Berlin 2021, ISBN 978-3-458-17900-9
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