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Mittwoch, 5. August 2015

„Ich der Kater“ von Soseki Natsume

„Für den Menschen ist nur eine einzige Definition denkbar: Menschen sind Wesen, die wahre Meister im Erfinden überflüssiger Dinge sind, unter denen sie dann leiden.“ (S. 472)

So lautet die Einsicht des namenlosen Katers in Soseki Natsumes „Ich der Kater“. In elf Kapiteln lässt der Autor den Kater über das Leben in dem Haushalt des Professor Schneutz, dem Alter-Egos Sosekis, berichten. Da bekommt Schneutz ebenso sein Fett weg wie seine Kinder, seine Ehefrau als auch seine kauzigen Kumpane und die geldigen Nachbarn.

Das Werk wirkt wie ein Experiment mit verschiedenen Stilen: Da bricht der Kater z.B. auf, um Beobachtungen im Badehaus anzustellen oder die verfeindeten Nachbarn auszuspähen. Dann wieder werden Dialoge, die auch schnell mal in ausschweifende Monologe übergehen, präsentiert. Dann wiederum gibt es Gedichte, Briefe, Zitate…

Doch immer bleibt der Kater den Menschen um mindestens eine Nasenlänge voraus. Denn er kennt durch sein umtriebiges Wesen weit mehr Hintergründe zu den Geschehnissen und reflektiert vom felinen Standpunkt aus die menschlichen Eigenschaften, die so manches Problem verursachen. So zieht der Kater beispielsweise Professor Schneutzens Gelehrsamkeit ins Lächerliche:

„Nun geben sich Menschen aber nicht damit zufrieden, etwas nicht zu verstehen, und deshalb exekutieren sie unverständliche Texte mittels einer Exegese, was ihnen erlaubt zumindest eine wissende Miene aufzusetzen. Schon immer bereitete es große Freude, unverständliche Dinge zu verehren und zu denken, man hätte sie verstanden.“ (S. 424 f.)

Ohnehin gelingt es Soseki, allerlei humorvolle Kommentare einzuflechten, sogar über den Autor selbst:

„Unlängst hat ein Freund von mir, ein gewisser Soseki, eine Kurzgeschichte mit dem Titel Ichiya geschrieben, der Text ist aber derart nebulös, dass niemand in ihm einen Zusammenhang erkennen kann, und als ich ihn jüngst traf, fragte ich ihn ausführlich nach dem eigentlichen Sinn der Kurzgeschichte, er wies mich jedoch kalt mit der Bemerkung ab, er selbst hätte auch nicht die leiseste Ahnung.“ (S. 290)

Doch damit nicht genug: Auch gesellschaftlich besonders gravierende Veränderungen wie die Modernisierung werden thematisiert:

„Die Zivilisation des Abendlandes mag von Tatendrang und Fortschrittlichkeit durchdrungen sein, letztlich aber bringt sie nur Menschen hervor, die ihrer Lebtag unzufrieden sind.“ (S. 399)

Insbesondere die schrulligen, überzeichneten Charaktere des „Clubs der Müßiggänger“, wie der Kater Schneutzens Kumpane, die in dessen Haus ein und aus gehen, bezeichnet, sorgen beim Lesen für einiges Amüsement. Gerade Wirrhaus, der für seine hanebüchenen Lügengeschichten bekannt ist, sorgt für Trubel.

Dank des Nachworts von Otto Putz werden einige Wortspiele, die in der deutschen Übersetzung nicht wiedergegeben werden können, illustriert. So werden die beiden ersten Sätze des Werks „Wagahei wa neko de aru. Namae wa mada nai.“ mit „Gestatten, ich bin ein Kater! Unbenamst bislang.“ übersetzt. Doch für das pompöse Personalpronomen wagahei, das bei Adeligen in Gebrauch war, findet im Deutschen kein Äquivalent – und es passt auch so gar nicht zu einem tapsigen Kater, der es noch nicht einmal zu einem Namen gebracht hat.

Über 600 Seiten zählt Soseki Natsumes „Ich der Kater“. Ich kann nur empfehlen, die Kapitel nicht allzu sehr zu verschlingen. In Einzeldosen lässt sich der Humor sicherlich besser genießen, insbesondere da keine stringent komponierte Handlung vorhanden ist und die Einzelkapitel gut für sich alleine stehen können.

Bibliographische Angaben:
Natsume, Soeseki: „Ich der Kater“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Putz, Otto), Insel, Frankfurt am Main & Leipzig 2001, ISBN 3-458-34467-5

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