Mit „Heilige Mörderin“ ist Keigo Higashino wieder einmal ein äußerst verzwickter Kriminalroman gelungen. Dem Leser begegnen die beiden Ermittler Kusanagi und Yukawa aus Keigo Higashinos „Verdächtige Geliebte“ wieder, die wiederum ihre Rivalität ausleben, wer den Fall am schnellsten lösen kann. Denn es scheint, als sei der perfekte Mord gelungen: Die Hauptverdächtige hat ein wasserdichtes Alibi – sie war, als sich ihr Ehemann eine tödliche Arsenvergiftung zugezogen hat, meilenweit entfernt. Sie hatte noch nicht einmal ihren Wohnungsschlüssel bei sich und war bereits seit mehr als 24 Stunden außer Haus – unmöglich, dass sie die Vorbereitungen für den Mord direkt vor ihrer Abreise getroffen hat.
Ähnlich wie bei „Verdächtige Geliebte“ weiß der Leser bereits, dass die Ehefrau Ayane ihren Mann Yoshitaka umgebracht hat. Er will von ihr die Scheidung, da Ayane ihm keine Kinder schenken kann. Da entschließt sich Ayane, der Ehe auf anderem Wege ein Ende zu machen, als es für Yoshitakas Gesundheit zuträglich ist. Doch wie ist ihr dieser Mord nur gelungen?
Kusanagi scheint zu allem Überfluss seinen Gefallen an der schönen, warmherzigen und beruflich erfolgreichen Ayane gefunden zu haben. Seine Kollegin Utsumi hat ihre Bedenken, dass Kusanagis private Gefühle seine Ermittlungstätigkeit beeinflussen könnten, und überredet den Physiker Yukawa, ihr bei dem Fall behilflich zu sein. Utsumis weibliche Intuition sagt ihr nicht nur, dass Ayane die Täterin sein muss, sondern sie deckt auch manches Fehlverhalten seitens des Ehemanns Yoshitaka auf.
„Heilige Mörderin“ ist zwar – im strengen Sinne – kein Fortsetzungsroman von „Verdächtige Geliebte“, doch es empfiehlt sich, „Verdächtige Geliebte“ zuerst gelesen zu haben. Denn auf eine ausführliche Charakterisierung und eine Illustration der Vorgeschichte von Kusanagi und Yukawa wird in „Heilige Mörderin“ fast verzichtet. Auf den Antagonismus der beiden wird nicht sonderlich eingegangen, da vorausgesetzt wird, dass die Higashino-Leser bereits darüber im Klaren sind. Mehr Gewicht liegt auf der Darstellung der Figur der Ayane.
Obwohl dem Leser die Mörderin bereits längst bekannt ist, ist „Heilige Mörderin“ spannend bis zum Schluss. Für mich lag ein kleiner Wermutstropfen in den Ermittlungen rund um die Bezugsquelle des Gifts. Die Story, die darum geflochten wird, wirkt arg konstruiert und widerspricht auch etwas dem Bild, das man sich von der „heiligen“ Ayane gemacht hat. Nichtsdestotrotz bietet „Heilige Mörderin“ die Qualität eines Page-Turners – auch wenn der Roman hinter „Verdächtige Geliebte“ etwas zurückbleibt.
Bibliographische Angaben:
Higashino, Keigo: „Heilige Mörderin“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Klett-Cotta, Stuttgart 2014, ISBN 978-3-608-98012-7
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