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Sonntag, 27. März 2011

„In der Misosuppe“ von Ryu Murakami

Ryu Murakami, das „enfant terrible“ der japanischen Literaturszene, hat mit „In der Misosuppe“ einen wahrlichen Schocker geschrieben: Kenji ist ein Fremdenführer der besonderen Art – er führt Touristen durch das Rotlichtviertel Tokios, begleitet sie zu Peep-Shows, in Anbandelbars und übergibt sie in die Hände von Prostituierten. Ein wunderbarer Job für einen 20-Jährigen – bis Frank, ein amerikanischer Tourist, sein Kunde für die drei letzten Tage des Jahres wird. Frank umgibt eine schaurige Aura, er scheint zwei Gesichter zu haben und Kenji bereut es bereits zu tiefst, ihm drei Nächte verpflichtet zu sein. Seine Bedenken sind nicht unbegründet: In der zweiten Nacht offenbart Frank seine Psyche in einer grausamen Bluttat, in der auch Kenji um sein Leben bangen muss.

Ich habe mich sehr lange davor gedrückt, „In der Misosuppe“ zu lesen. Die Rezensionen für das Buch sind eher durchwachsen und auf brutale Splatterszenen kann ich sehr gut verzichten. Dennoch war ich begeistert von dem Buch. Einerseits ist es sehr spannend geschrieben. Andererseits bildet die Geschichte um den Psychopathen Frank einen Rahmen, in dem Kenji in Reflektionen Ryu Murakamis Gesellschaftskritik ausdrückt: Japan ist eines der reichsten Länder der Welt – und dennoch sterben Menschen an Karoshi, dem Tod durch Überarbeitung. In anderen Ländern müssen sich die Schulmädchen aus einem Überlebenskampf heraus prostituieren, während japanische Schulmädchen freiwillig für eine Louis Vuitton-Handtasche auf den Strich gehen. Das Buch ist definitiv nichts für zart Besaitete. Dennoch mag ich es all jenen ans Herz legen, die sich nicht nur für traumhafte Banana Yoshimoto-Bücher begeistern, sondern sich von Ryu Murakami auch die dunklen Seiten der japanischen Gesellschaft aufzeigen lassen wollen.

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