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Montag, 21. Februar 2011

„Tokyo Love“ von Hitomi Kanehara

„Tokyo Love“ von Hitomi Kanehara ist ein recht schmächtiges Büchlein von 117 Seiten. Lui („Lui kommt von Louis Vuitton“) lernt den Schlangenmann Ama kennen, der sich seine Zunge im Piercing Studio spalten hat lassen und nun über eine split tongue verfügt. Fasziniert von dieser Zunge und seiner Tätowierung lässt sich Lui im selben Piercing- und Tattoo-Studio die Zunge piercen und entschließt sich, sich den Rücken tätowieren zu lassen. Der Inhaber des Studios, der sadistisch veranlagte Shiba-san, strahlt eine sexuelle Anziehung auf Lui aus. So ergibt es sich, dass Lui zwar beim Schlangenmann Ama lebt und mit ihm eine Beziehung führt, aber mit Shiba-san wilden sado-maso Sex praktiziert. Der Alltag von Lui ist dagegen fad: Hin und wieder geht sie einem Hostessen-Job nach, lebt aber von Amas Gehalt. Ohne Alkohol kommt Lui nicht mehr aus, aufs Essen verzichtet sie dafür umso mehr. Nach einem Alkohlexzess dreht Ama durch und begeht Totschlag an einem Schlägertyp. Ama steuert auf eine Katastrophe zu…

Für „Tokyo Love“ hat Hitomi Kanehara den Aktuagawa-Preis erhalten. Jedoch frage ich mich, ob die Jury hier weniger literarische Genialität als das gesellschaftlich relevante Statement an sich prämiert hat: Nämlich dass die japanische Jugend sich leer fühlt, keine beruflichen Perspektiven sieht, sich in allerlei Exzesse stürzt und mit einem „normalen“ Erwachsenendasein nichts zu tun haben will.

Manche Stellen im Buch sind sogar leicht einfältig. „Kein Problem, ich halte mein Gewicht seit Jahren.“ sagt die erst 19-jährige Lui zum Tätowierer. In dem Alter ja auch noch kein Problem… Sie lässt sich die Zunge piercen und kann danach sofort munter weiterplappern. Eigentlich sollte die Zunge so angeschwollen sein, dass sie nur lallen kann. An anderen Stellen kann man sich nur wundern, warum sie mit einem potenziellen Mörder zusammenlebt.

Insgesamt ist „Tokyo Love“ für mich zu unausgegoren und eher eine überspitzte Bestandsaufnahme als ein guter Roman. Die Autorin möchte mit extremem Körperschmuck, body modification und SM-Praktiken schockieren, was ihr sicherlich auch gelingt. Aber die Story selbst erscheint viel zu fiktiv und die Protagonisten bleiben charakterlich flach.

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