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Sonntag, 15. September 2013

„In Nacht und Nebel“ von Morio Kita

Der zweite Weltkrieg neigt sich langsam aber sicher dem Ende zu, doch die Patienten einer Nervenklinik in Süddeutschland befinden sich nicht aufgrund von Bombardierungen in höchster Lebensgefahr – die Bedrohung kommt von der SS: Die als unheilbar eingestuften Kranken sollen abtransportiert und vergast werden.

Morio Kita, selbst studierter Mediziner, schreibt in seinem mit dem Akutagawa-Literaturpreis ausgezeichneten Kurzroman primär aus der Sicht der behandelnden Ärzte. Da ist Frau Weise, die sich den Patienten auf freundschaftliche Weise verbunden fühlt. Professor Zehrer bricht unter dem Befehl, die Patienten ins Verderben zu schicken, zusammen und wird nie wieder derselbe sein. Dr. von Harras tut, was er kann – wird aber kurz darauf eingezogen. Der Jungmediziner und Kriegsinvalide Setzler leidet unter seiner Tatenlosigkeit, während Radowulf bis in die letzte Faser von der Nazi-Propaganda indoktriniert ist. Und schließlich ist da Kersenbrock, der sich eigentlich am liebsten im Labor verschanzt, nun aber seine Chance wittert, an den Patienten gefährliche medizinische Experimente durchzuführen.

Einer der psychisch Kranken im Spital ist der Japaner Takashima, der unter Wahnvorstellungen leidet – oder verzweifelt er nur an der kranken Nazi-Gesellschaft, in der Juden verfolgt und vergast werden? Takashimas Ehefrau Anna, eine Halbjüdin, wurde inhaftiert und Takashima verzweifelte über diese Ungerechtigkeit, bis er psychisch krank wurde. Aus der Sicht des Japaners wird die Perspektive der Kranken in der Nervenklinik geschildert.

Dass ein Happy End ausgeschlossen ist, wird schon bald klar: Denn Anna – so die offizielle Version – soll Selbstmord begangen haben. Takashima rutscht nach dieser Nachricht noch tiefer in seine Wahnvorstellungen.

„In Nacht und Nebel“ ist sicherlich ein tolles, wenn auch trauriges, manchmal schockierendes Buch. Ich hätte mir aber gewünscht, dass die Motivationen der Personen noch eingehender geschildert worden wären. Dadurch, dass auf den 172 Seiten doch einige eigenwillige Charaktere auftreten, werden manche nur gestreift, wie z.B. der verbitterte Setzler. Aber auch Takashima bleibt recht blass. So hätte mich auch eine ausführlichere Behandlung seiner Wahnideen interessiert. Denn zunächst wirkt Takashima recht normal und es wird nicht recht klar, wie sich das Krankheitsbild bei ihm äußert.

Bibliographische Angaben:
Kita, Morio: „In Nacht und Nebel“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Putz, Otto), Cass, Löhne 2013, ISBN 978-3-9809022-9-8

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