Kobe Abes „Der verbrannte Stadtplan“ beginnt wie eine klassische Detektivgeschichte: Der private Ermittler und Ich-Erzähler erhält den Auftrag, nach dem vermissten Ehemann von Frau Nemuro zu suchen. Auf dem Weg zu einer Aktenübergabe ist der leitende Angestellte plötzlich spurlos verschwunden. Die Anhaltspunkte sind mehr als spärlich: Dem Detektiv stehen gerade einmal ein Passfoto und eine Streichholzschachtel als Hinweise zur Verfügung.
Weder eine Geliebte noch Probleme in der Arbeit scheinen für ein freiwilliges Verschwinden von Herrn Nemuro zu sprechen. Der Ermittler kann ein Verbrechen nicht mehr ausschließen, spätestens als der zwielichtige Bruder der verlassenen Ehefrau und damit Schwager des Vermissten auf dem Parkett erscheint.
Doch Kobo Abe wäre nicht Kobo Abe, wenn es ihm nur um einen harmlosen Kriminalroman ginge. Erneut ist die Stadt, das Labyrinth der wachsenden Metropole, sein Thema. Die Bewältigungsstrategien in diesem Labyrinth sind von Großstadtbewohner zu Großstadtbewohner unterschiedlich: Die einen bringen den Mut auf, von heute auf morgen zu verschwinden und alles zurück zu lassen. Die anderen scheitern am Ziel, von anderen beachtet zu werden und flüchten in den Selbstmord. Die nächsten igeln sich zu Hause ein und leben in ihrer eigenen Phantasiewelt. Wiederum andere glauben, das System kriminell ausnutzen zu können und werden schließlich Opfer der Gewalt, die sie selbst herausgefordert haben. Und der Ich-Erzähler, der ebenfalls eine verlassene Seele ist, wird mit einer ganz anderen Art des Ausscheidens aus dem Alltag konfrontiert.
„Der verbrannte Stadtplan“ ist weit weniger phantastisch als „Die Känguruhhefte“ und „Der Schachtelmann“, dafür aber sehr viel zugänglicher, ohne auf den Anspruch an den Leser zu verzichten, die Handlung für sich selbst deuten zu müssen.
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