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Mittwoch, 18. September 2024

Emi Yagi

Emi Yagi wurde 1988 in der Präfektur Nagano geboren. Sie studierte Kulturwissenschaften an der Waseda-Universität. Die Autorin lebt und arbeitet in Tokio. Derzeit ist sie noch angestellt und keine Vollzeitautorin.

Emi Yagi debütierte 2020 mit „Frau Shibatas geniale Idee“. Der Roman wurde mit dem Osamu Dazai-Literaturpreis prämiert und in 24 Sprachen übersetzt.

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Ins Deutsche übersetzte Romane:

  • Frau Shibatas geniale Idee

Dienstag, 17. September 2024

„Eine kurze Begegnung“ von Emily Itami

Als Halb-Japanerin hat Emily Itami den Blick einer Ethnologin und beobachtet und illustriert besonders scharf, was Mutterschaft und Hausfrauendasein in Japan bedeutet. Ihre Protagonistin Mizuki ist durch Auslandsaufenthalte in den USA ebenfalls reich an kulturübergreifenden Erfahrungen und hadert mit ihrem Schicksal: Ihr Ehemann Tatsuya macht Karriere, macht ständig Überstunden, ist immer auf Abruf oder am Handy, um Arbeitsmails zu beantworten. Mizuki, die im Nightlife gearbeitet hat, vermisst ihr altes, glamouröseres Leben. Als Hausfrau und Mutter unterliegt sie dem Druck nach Perfektion. Sie soll gefälligst Kinder und Haushalt völlig im Griff haben, überall pünktlich mit adretten und gut erzogenen Sprösslingen auftauchen und lustige Bento-Boxen vorbereitet haben.

Eigentlich, ja eigentlich führt Mizuki ein gutes Leben und hat keinen Grund zur Klage. Doch die Tristesse des Alltags treibt sie in die Arme eines Liebhabers.

An sich fand ich das Thema von „Eine kurze Begegnung“ recht gut. Zudem arbeitet die Autorin Emily Itami kulturelle Unterschiede zwischen Japan und „dem Westen“ gut heraus und entführt den Leser auf eine kleine Sightseeingtour nach Tokio. Und jetzt kommt das Aber: Ich konnte mich mit der Protagonistin leider so überhaupt nicht anfreunden. Sie beschreibt sich als so ultrasexy, geht mit ihren französischen Freundinnen anlässlich der Fashion Week zu Chanel und hat natürlich Hammer-Outfits im Schrank. Da mag man der Autorin die Gesellschaftskritik „zu hohe Ansprüche an Mütter“ dann auch nicht mehr abnehmen, wenn ihre Protagonistin eine anderweitige, nämliche die optische Perfektion nach oben hält.

Zudem habe ich mir mit manchen Bandwurmsätzen wirklich schwer getan. Eine kleine Kostprobe:

„Dann, eines Tages, komme ich plötzlich zu mir, sehe in den Spiegel und frage mich Was habe ich noch mal gemacht, auf eine Weise, die völlig angemessen ist, wenn man gerade auf dem Weg ins Wohnzimmer war, um etwas zu holen, und einen der Gedanke an einen früheren Liebhaber abgelenkt hat, aber alles andere als ideal, wenn die Träumerei drei Jahre angedauert hat.“ (S. 67 f)

Vielleicht liegt’s an der Autorin, vielleicht auch an der Übersetzerin. So findet man teilweise auch ggf. falsch übersetzte Begriffe – ich kann hier nur vermuten da mir das englische Original nicht vorliegt. Als Mizuki aus New York zurückkehrt und in Tokio als Sängerin

„wieder von vorne beginnen würde, diesmal jedoch bewaffnet mit Aufnahmen und mehreren Sets und einem Teil des Jargons, wenn auch in der falschen Sprache.“ (S. 116)

Ist mit „Jargon“ nicht eigentlich „Repertoire“ gemeint? Jargon macht für mich so gar keinen Sinn.

Oder auch der erste Satz des letzten Kapitels, der da lautet:

„Das ist es.“ (S. 273)

Mag das im englischen Original ein „That’s it.“ sein? Dann würde man das doch eher mit „Das war’s.“ übersetzen, weil es einen Endpunkt markiert?

Insgesamt bin ich bei „Eine kurze Begegnung“ sehr zwiegespalten, inwieweit ich den Roman empfehlen würde. Vielleicht ist da ein bisschen Potenzial verloren gegangen, weil die sehr auf die eigene Optik fokussierte Protagonistin oberflächlich rüberkommt. Ein bisschen Potenzial wegen dem stockenden Lesefluss abhanden gekommen ist… Da wäre also noch Luft nach oben gewesen…

Bibliographische Angaben:
Itami, Emily: „Eine kurze Begegnung“ (Übersetzung aus dem Englischen: Karamustafa, Melike), Blessing, München 2023, ISBN 978-3-89667-749-5

Montag, 16. September 2024

Emily Itami

Leider lässt sich nicht allzu viel Biographisches über Emily Itami herausfinden. Die Autorin ist Halbjapanerin und wuchs in Tokio auf. Irgendwann zog sie nach London. Sie kehrte nach Tokio zurück und erlebte, was es in Japan bedeutet, Mutter zu sein. Diese Erfahrung inspirierte sie zu dem Roman „Eine kurze Begegnung“ (im englischen Original „Fault Lines“, was als „Verwerfungslinien“ für mich der passendere Titel gewesen wäre). Das Werk wurde für den Costa-Buchpreis nominiert.

Irgendwann zog Emily Itami zurück nach London. Sie arbeitet als freiberufliche Journalistin und Reiseautorin.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert:

Sonntag, 15. September 2024

"Die einsame Buchhändlerin von Tokio" von Nanako Hanada

Nanako Hanada zeichnet mit "Die einsame Buchhändlerin von Tokio" ihre eigene Geschichte auf. Die Autorin ist mitten in einer massiven Umbruchphase: Sie zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus und weiß nicht, ob sie sich nun von ihrem Mann scheiden lassen soll. Der Job als Buchhändlerin bei einer Kette hat sich in eine Richtung entwickelt, die sie nicht gut heißen kann. 

Durch Zufall stolpert Nanako über einen Bericht über das Internetportal Thirty Minutes, über das sich Fremde zu themenbezogenen Kurztreffen verabreden können. Nanako sieht hier die Chance, aus dem Alltag auszubrechen und den anderen Usern nach einer halbstündigen Kennenlernphase das ideale Buch zu empfehlen. 

Zunächst kommt aber erst einmal die Ernüchterung: Wollen die Männer auf Thirty Minutes doch nur das eine? Je mehr sich Nanako jedoch mit dem Portal beschäftigt, desto interessantere Personen beiderlei Geschlechts lernt sie kennen. Sie findet neue Freunde und bekommt damit immer mehr Selbstbewusstsein. Schließlich ist irgendwann der Tag gekommen, an dem sie ihr Leben in andere, wohlgewählte Bahnen lenken kann.

Ein bißchen schade an "Die einsame Buchhändlerin von Tokio" ist, dass die allerwenigsten der empfohlenen Bücher in deutscher Übersetzung verfügbar sind. Nanako empfiehlt viel (noch) nicht übersetzte japanische Literatur, weswegen die Tipps für den deutschen Leser unzugänglich bleiben.

Anfangs erscheint das Buch eher wie eine lose Aneinanderreihung illustrer Episoden. Mehr erzählerische Dichte kommt erst später auf. Vielleicht lehne ich mich mit diesem Vergleich ein bisschen zu weit aus dem Fenster, aber für mich hätten die letzten Kapitel tatsächlich auch gut in einen Banana Yoshimoto-Roman gepasst. Jedoch verpasst man auch nicht allzu viel, wenn man dieses Buch nicht gelesen hat.

Bibliographische Angaben:
Hanada, Nanako: "Die einsame Buchhändlerin von Tokio" (Übersetzung aus dem Japanischen: Wägerle, Sabrina), Knaur, München 2024, ISBN 978-3-426-29368-3

Samstag, 14. September 2024

Nanako Hanada

Nanako Hanada wurde 1979 geboren. Sie studierte an einer Kunsthochschule. Statt den klassischen Weg einer Vollzeitangestellten einzuschlagen, wollte die Autorin lieber Spaß an der Arbeit haben und heuerte bei der Buchhandlungskette Village Vanguard an. Danach folgten weitere Stationen, bis sie ihren eigenen Buchladen Kani Books eröffnete.

Ihr autobiographischer Roman „Die einsame Buchhändlerin von Tokio“ wurde ein Überraschungserfolg, der fürs Fernsehen verfilmt wurde.

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Ins Deutsche übersetzte Romane:

  • Die einsame Buchhändlerin von Tokio

Donnerstag, 12. September 2024

"Das Loch" von Hiroko Oyamada

Hiroko Oyamadas "Das Loch" wurde mit dem Akutagawa-Preis prämiert. "Die Zeit" nennt das schmale Büchlein mit ca. 120 Seiten Umfang gar "ein Meisterstück der Unheimlichkeit". So ganz mag ich in den Lobgesang allerdings nicht einfallen. 

Doch zunächst zur Handlung: Die Ich-Erzählerin Asa steht vor einem neuen Lebensabschnitt. Als ihr Mann aufs Land versetzt wird, kündigt sie ihren Job und wird Hausfrau. Das Ehepaar zieht in das Haus neben dem der Schwiegereltern ein. Asas Alltag ist nun eintönig und dennoch vergeht die Zeit besonders schnell:

"Wer keine Termine mehr hat, keine Fristen, die eingehalten werden müssen, keine Meetings oder Gehaltstage, welche die Zeit Stunde um Stunde, Minute um Minute struktieren, dem scheint sie zwischen den Fingern zu zerrinnen, in einem Tempo, das einem unfassbar erscheint." (S. 29)

Es ist flirrend heiß im ersten Sommer nach dem Umzug. Asa verweigert sich die bequeme Klimaanlage und versucht, der Hitze zu trotzen. Der alte Großvater ihres Ehemanns verbringt seine Tage damit, den Rasen zu sprengen. Alles ist in gleißendes Licht und Schatten getaucht. 

Auf einem Spaziergang läuft Asa ein seltsames, schwarzes Getier über den Weg. Neugierig folgt sie dem Wesen und fällt aus einer Unachtsamkeit in ein Loch, aus dem sie sich nicht mehr selbst befreien kann. Dank eines Zufalls erhält sich Hilfe durch eine vorbeiflanierende Nachbarin.

Doch die seltsamen Gegebenheiten nehmen zu - wer wohnt denn scheinbar unbemerkt hinter dem Haus der Schwiegereltern? Der aufmerksame Leser merkt, dass da wohl was nicht mit rechten Dingen zugeht.

Wer schon mehrere Werke des magischen Realismus gelesen hat, der wird "Das Loch" vielleicht nicht gleich als "Meisterstück der Unheimlichkeit" lobpreisen. Schließlich scheint die Geisterwelt in Japan ja auch nichts mit gruseligen Schlossgespenstern aus dem europäischen Raum zu tun zu haben, sondern eher als tatsächlich mögliche Gegebenheit, die zwar überrascht, aber nicht schockiert. Oder wie es die Autorin einem ihrer Akteuren in den Mund legt:

"Im Allgemeinen sehen sie alle nichts. Wer etwas nicht sehen will, sieht es auch nicht." (S. 92)

Sicherlich ist das Büchlein sprachlich auf hohem Niveau, aber leider schon wieder zu Ende, als man sich gerade mit den Charakteren angefreundet hat.

Ich hoffe allerdings inständig, dass bald auch Hiroko Oyamadas "Die Fabrik" ins Deutsche übersetzt wird. Die Handlung des literarischen Erstlings klingt so herrlich kafkaesk, dass man richtig neugierig auf das Werk wird.

Bibliographische Angaben:
Oyamada, Hiroko: "Das Loch" (Übersetzung aus dem Japanischen: Bierich, Nora), Rowohlt, Hamburg 2024, ISBN 978-3-498-00486-6

Mittwoch, 11. September 2024

Hiroko Oyamada

Hiroko Oyamada wurde 1983 in Hiroshima geboren und studierte in ihrer Heimatstadt japanische Literatur. Noch heute lebt sie in Hiroshima. Hiroko Oyamada liebte bereits als Kind Bücher, wurde aber erst durch ihren Ehemann ermutigt, selbst Bücher zu schreiben.

Nach dem Studium nahm sie verschiedene Jobs an; unter anderem bei einer Tochtergesellschaft eines großen Automobilherstellers. Diese Tätigkeit inspirierte sie, ihr Werk „Die Fabrik“ (Veröffentlichung im Jahr 2010) zu schreiben, das für den Mishima-Literaturpreis nominiert wurde und sowohl den Sakunosuke- als auch den Hiroshima-Buchpreis gewann. Ihr Roman „Das Loch“ wurde 2014 mit dem Akutagawa-Preis prämiiert.

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Ins Deutsche übersetzte Romane und hier rezensiert: