Als Halb-Japanerin hat
Emily Itami den Blick einer Ethnologin und beobachtet
und illustriert besonders scharf, was Mutterschaft und Hausfrauendasein in
Japan bedeutet. Ihre Protagonistin Mizuki ist durch Auslandsaufenthalte in den
USA ebenfalls reich an kulturübergreifenden Erfahrungen und hadert mit ihrem
Schicksal: Ihr Ehemann Tatsuya macht Karriere, macht ständig Überstunden, ist
immer auf Abruf oder am Handy, um Arbeitsmails zu beantworten. Mizuki, die im
Nightlife gearbeitet hat, vermisst ihr altes, glamouröseres Leben. Als Hausfrau
und Mutter unterliegt sie dem Druck nach Perfektion. Sie soll gefälligst Kinder
und Haushalt völlig im Griff haben, überall pünktlich mit adretten und gut
erzogenen Sprösslingen auftauchen und lustige Bento-Boxen vorbereitet haben.
Eigentlich, ja eigentlich führt Mizuki ein gutes Leben und hat
keinen Grund zur Klage. Doch die Tristesse des Alltags treibt sie in die Arme
eines Liebhabers.
An sich fand ich das Thema von „Eine kurze Begegnung“ recht
gut. Zudem arbeitet die Autorin Emily Itami kulturelle Unterschiede zwischen
Japan und „dem Westen“ gut heraus und entführt den Leser auf eine kleine
Sightseeingtour nach Tokio. Und jetzt kommt das Aber: Ich konnte mich mit der Protagonistin
leider so überhaupt nicht anfreunden. Sie beschreibt sich als so ultrasexy,
geht mit ihren französischen Freundinnen anlässlich der Fashion Week zu Chanel
und hat natürlich Hammer-Outfits im Schrank. Da mag man der Autorin die
Gesellschaftskritik „zu hohe Ansprüche an Mütter“ dann auch nicht mehr
abnehmen, wenn ihre Protagonistin eine anderweitige, nämliche die optische Perfektion
nach oben hält.
Zudem habe ich mir mit manchen Bandwurmsätzen wirklich
schwer getan. Eine kleine Kostprobe:
„Dann, eines Tages, komme ich plötzlich zu mir, sehe in den
Spiegel und frage mich Was habe ich noch
mal gemacht, auf eine Weise, die völlig angemessen ist, wenn man gerade auf
dem Weg ins Wohnzimmer war, um etwas zu holen, und einen der Gedanke an einen
früheren Liebhaber abgelenkt hat, aber alles andere als ideal, wenn die
Träumerei drei Jahre angedauert hat.“ (S. 67 f)
Vielleicht liegt’s an der Autorin, vielleicht auch an der
Übersetzerin. So findet man teilweise auch ggf. falsch übersetzte Begriffe –
ich kann hier nur vermuten da mir das englische Original nicht vorliegt. Als Mizuki
aus New York zurückkehrt und in Tokio als Sängerin
„wieder von vorne beginnen würde, diesmal jedoch bewaffnet
mit Aufnahmen und mehreren Sets und einem Teil des Jargons, wenn auch in der
falschen Sprache.“ (S. 116)
Ist mit „Jargon“ nicht eigentlich „Repertoire“ gemeint?
Jargon macht für mich so gar keinen Sinn.
Oder auch der erste Satz des letzten Kapitels, der da
lautet:
„Das ist es.“ (S. 273)
Mag das im englischen Original ein „That’s it.“ sein? Dann
würde man das doch eher mit „Das war’s.“ übersetzen, weil es einen Endpunkt
markiert?
Insgesamt bin ich bei „Eine kurze Begegnung“ sehr
zwiegespalten, inwieweit ich den Roman empfehlen würde. Vielleicht ist da ein bisschen
Potenzial verloren gegangen, weil die sehr auf die eigene Optik fokussierte
Protagonistin oberflächlich rüberkommt. Ein bisschen Potenzial wegen dem
stockenden Lesefluss abhanden gekommen ist… Da wäre also noch Luft nach oben
gewesen…
Bibliographische Angaben:
Itami, Emily: „Eine kurze Begegnung“ (Übersetzung aus dem Englischen:
Karamustafa, Melike), Blessing, München 2023, ISBN 978-3-89667-749-5