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Sonntag, 22. Januar 2023

"Der Wind erhebt sich" von Tatsuo Hori

Die ersten Seiten von Tatsuo Horis "Der Wind erhebt sich" empfand ich als extrem nervig. Geschrieben in der Anrede 2. Person Singular im Präteritum war der Lesefluss ziemlich zäh. Gott sei Dank änderte sich dies nach wenigen Seiten des kurzen Büchleins, das mit unbeschwerten Sommertagen beginnt. Der namenlose Protagonist verliebt sich während seiner Sommerfrische in den Bergen. Setsuko ist der Name seiner Angebeteten, die seine Liebe erwidert. Als der Vater Setsuko besucht, müssen die Liebenden auf Distanz gehen. Der Leser wähnt ein jähes Ende der Beziehung, doch es soll anders kommen.

Es folgt ein Zeitsprung und man erfährt, dass Setsuko nun mit dem Ich-Erzähler verlobt ist. Jedoch ist sie an einer Lungenkrankheit erkrankt und bettlägerig. Wer sich mit dem Lebensweg von Tatsuo Hori beschäftigt, der weiß, dass "Der Wind erhebt sich" autobiographisch angelegt ist. Daher befürchtet man es schon: Setsukos kommender Aufenthalt in einem Sanatorium wird nicht zur Rekonvaleszenz führen.

Dem Protagonisten mag man einerseits unterstellen, er koste den Sanatoriumsaufenthalt in der Abgeschiedenheit auf groteske Weise aus, weide sich sogar an der kranken, hilflosen Setsuko. Andererseits erscheint die Kranke wie eine Kirschblüte, die bald fallen wird. Welch eigentümliche, morbide Blumenschau.

Nach den ersten, eher nervigen Seiten groovt man sich in den sehr ruhigen Lesefluss ein. Das wahrlich todtraurige Thema wird jedoch nicht bleischwer transportiert. Die Natur wird als Spiegel des Lebens. Das Jahr neigt sich dem Ende zu, so auch Setsukos Leben. Keine Lektüre für einen vergnüglichen Lesenachmittag, dafür aber ein schmales Büchlein mit Nachhall.

Bibliographische Angaben:
Hori, Tatsuo: "Der Wind erhebt sich" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Mitteldeutscher Verlag, Halle 2022, ISBN 978-3-96311-682-7

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