Die ersten Seiten von Tatsuo Horis "Der Wind erhebt sich" empfand ich als
extrem nervig. Geschrieben in der Anrede 2. Person Singular im
Präteritum war der Lesefluss ziemlich zäh. Gott sei Dank änderte sich
dies nach wenigen Seiten des kurzen Büchleins, das mit unbeschwerten
Sommertagen beginnt. Der namenlose Protagonist verliebt sich während
seiner Sommerfrische in den Bergen. Setsuko ist der Name seiner
Angebeteten, die seine Liebe erwidert. Als der Vater Setsuko besucht,
müssen die Liebenden auf Distanz gehen. Der Leser wähnt ein jähes Ende
der Beziehung, doch es soll anders kommen.
Es folgt ein Zeitsprung
und man erfährt, dass Setsuko nun mit dem Ich-Erzähler verlobt ist.
Jedoch ist sie an einer Lungenkrankheit erkrankt und bettlägerig. Wer
sich mit dem Lebensweg von Tatsuo Hori beschäftigt, der weiß, dass
"Der Wind erhebt sich" autobiographisch angelegt ist. Daher befürchtet man es
schon: Setsukos kommender Aufenthalt in einem Sanatorium wird nicht zur
Rekonvaleszenz führen.
Dem Protagonisten mag man einerseits
unterstellen, er koste den Sanatoriumsaufenthalt in der Abgeschiedenheit
auf groteske Weise aus, weide sich sogar an der kranken, hilflosen
Setsuko. Andererseits erscheint die Kranke wie eine Kirschblüte, die
bald fallen wird. Welch eigentümliche, morbide Blumenschau.
Nach den ersten,
eher nervigen Seiten groovt man sich in den sehr ruhigen Lesefluss ein.
Das wahrlich todtraurige Thema wird jedoch nicht bleischwer
transportiert. Die Natur wird als Spiegel des Lebens. Das Jahr neigt
sich dem Ende zu, so auch Setsukos Leben. Keine Lektüre für einen
vergnüglichen Lesenachmittag, dafür aber ein schmales Büchlein mit
Nachhall.
Bibliographische Angaben:
Hori, Tatsuo: "Der Wind erhebt sich" (Übersetzung aus dem Japanischen: Mangold, Sabine), Mitteldeutscher Verlag, Halle 2022, ISBN 978-3-96311-682-7
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