Die zweite Frau, die während der rebellischen 70er Jahren aufwächst, ist Kemari und Manjos zweitgeborenes Kind. Sie ist nicht nur im Jahr des Pferdes geboren, sie ist mit ihrem Geburtsjahrgang 1966 gar ein Feuerpferd, was laut des chinesischen Horoskops als besonders wild und unzähmbar gilt. Daher überrascht es niemanden, dass Kemari bald die Anführerin einer weiblichen Bosozoku-Motorradgang wird.
Kemaris Tochter Toko ist ganz Töchterchen aus reichem Hause und muss im Gegensatz zu Gleichaltrigen der Freeter-Generation nicht unbedingt eigenes Geld verdienen. Toko hadert dennoch mit ihrem Leben, fehlt ihr doch die Fähigkeit, sich mit ganzem Herzen für etwas zu begeistern. Erst als Manjo stirbt und ihr mit dem fast letzten Atemzug ein Geheimnis offenbart, scheint sie etwas wie eine Aufgabe gefunden zu haben.
Einerseits sind die drei porträtierten Damen an sich sehr spannende Charaktere: Manjo, die Visionen hat, Kemari das Feuerpferd und die verloren wirkende Toko. Doch in der Umsetzung hätte ich mir bei Manjo mehr Atmosphäre gewünscht. Kemaris Leben ist dagegen fast schon hanebüchen übertrieben geschildert und Toko wirkt irgendwie langweilig und taugt als reiches Mädchen wenig als Identifikationsfigur für die Leserschaft.
Hinzu kommt, dass der Roman sprachlich so einfach gestrickt ist, dass er an einen Teenie-Roman erinnert. Und das liegt sicherlich nicht an der Übersetzung aus dem Englischen.
An sich finde ich persönlich Übersetzungen aus dem Englischen nicht zwangsläufig schlechter als aus dem Japanischen, wenn das Original eher durch Handlung als durch sprachliche Kunstfertigkeit bestechen soll. „Das Haus der roten Töchter“ zählt sicherlich zu ersterem. Allerdings ist die Umsetzung nicht immer besonders geglückt. Das gibt es z.B. Sätze, die für mich nicht wirklich Sinn machen:
"An jenem Abend verließ Manjo ihren Platz und bewegte all die Dinge in ihrem Herzen, die Tatsu ihr mitgeteilt hatte." (S. 85)
Und dann wird der Bedeutung von Schriftzeichen auch nicht Rechnung getragen. Natürlich ergibt sich aus dem Zusammenhang, für was die Schriftzeichen des Hauses Akakuchiba stehen und später wird die gleichnamige Firma gar umfirmiert in die englische Übersetzung und spätestens dann wird klar, warum die Farbe rot immer wieder vorkommt. Aber so ein bisschen mehr Liebe zum Detail und das eine oder andere Fußnötchen hätten dem Roman sicher nicht geschadet. Daher ergeben sich solche Passagen, die einfach schlecht übersetzt sind:
„Kaum hatte seine Mutter das Kind im Arm, gab sie ihm in einem Anflug von Humor den Namen Kaban. Dies bedeutete ‚Tasche’ und war kein besonders angemessener Name für einen Menschen, zumal es ein normales Wort war und keinen Buchstaben für einen Namen enthielt.“ (S. 166f)
Und selbst der deutsche Titel des Romans ist irgendwie abwegig. Die Töchter des Hauses Akakuchiba sind sicherlich nicht rot. Der Familienname beinhaltet das Schriftzeichen für die Farbe rot. Daher ist das Haus (in der Bedeutung des Geschlechts/der Familie der Akakuchibas) doch das, was von roter Farbe ist. Warum den Roman dann nicht korrekterweise „Die Töchter des roten Hauses“ nennen?
Insgesamt verpasst man also nicht wirklich viel, wenn man „Das Haus der roten Töchter“ nicht auf seine Leseliste setzt. Wer aber einfach Lust auf harmloses Entertainment hat, macht mit dem Roman natürlich nichts falsch.
Bibliographische Angaben:
Sakuraba, Kazuki: „Das Haus der roten Töchter“ (Übersetzung aus dem Englischen: Allen, Jocelyne/übertragen von Rahn, Marie), Heyne, München 2019, ISBN 978-3-453-42297-1
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