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Samstag, 12. Januar 2019

"Frühlingsgarten" von Tomoka Shibasaki

Die Autorin Tomoka Shibasaki gibt an, von der Betrachtung von Häusern und Strassen und damit zusammenhängenden Mutmaßungen gar nicht genug zu bekommen. Daher überrascht es auch nicht, dass Tomoka Shibasaki ihren Protagonisten Taro durch sein Stadtviertel streifen und allerlei Beobachtungen anstellen lässt. Taro wohnt im Tokio vor den anstehenden olympischen Spielen. Viele bisher verwahrloste und leerstehende Gebäude werden abgerissen, um neuen Wohnraum bis zu den Spielen zu schaffen.

Taro pflegt wenig sozialen Umgang. Dieser beschränkt sich auf die Familie und die Arbeit. Auch das Wohnhaus, in dem Taro zur Miete lebt, soll bald abgerissen werden. Mit den noch zwei verbliebenen Mieterinnen pflegt er ein wenig Kontakt.

Seine Nachbarin Nishi weiht Taro nach und nach in eine Besessenheit ein: Das blaue Haus gegenüber fasziniert Nishi. Jeden Tag schleicht sie ums Grundstück. Zu ihrer Schulzeit wurde der Fotoband "Frühlingsgarten" herausgegeben, der das Haus und die Bewohner in einer Art Homestory porträtiert. Das blaue Haus und insbesondere das grüne Bad darin werden zum Sehnsuchtsort für Nishi. Bald ist auch Taro von dem Gebäude gefesselt und er unterstützt Nishi in ihrem Vorhaben, endlich das grüne Bad zu betreten.

Nach und nach merkt der Leser, dass Taro zum Hikikomori neigt. Hier wird ein Bild aus der Natur herangezogen: Die Brut der Sakekrug-Wespe reift allein in einer Hülle heran, die Taro bei seiner Wohnung findet. Die Brut der Blattläuse vor dem Haus tummelt sich zuhauf in einem Styrax-Katzenpfoten-Beutel.

"Ihm gefiel die Vorstellung von einem winzigen Sakekrug für sich allein besser, als dicht gedrängt mit massenhaft Geschwistern zusammen in einem dieser Katzenpfoten-Beutel zu wohnen. " (S. 139)

Als Nishi auszieht, wird diese fixe Idee für Taro immer greifbarer.

"Frühlingsgarten" besticht sicherlich nicht durch temporeiche Handlung. Wer schon tiefer in die japanische Literatur eingetaucht ist, der kennt sicherlich diverse Romane, die ebenfalls mit sehr wenig Action ausgestattet sind. Insofern reihen sich hier Taros Spaziergänge und Reflektionen ein – auch wenn das Buch gegen Ende hin doch noch ein bisschen Fahrt aufnimmt.

Auch wenn der Bebra-Verlag die Japan Times mit "ein meisterhafter Blick auf die Einsamkeit des modernen Großstadtmenschen" zitiert, so habe ich "Frühlingsgarten" nicht in diesem Sinn gelesen. Mir stellt sich eher die Frage, ob Taros Glück eben nicht im pulsierenden Großstadtleben liegt, sondern in selbst gewählter Abgeschiedenheit (, die freilich nicht in den Wahn umschlagen sollte). So fragt er sich ja schließlich selbst:

"Ob wohl alle Lebewesen immer die beste von allen Möglichkeiten wählen?" (S. 138)

Bibliographische Angaben:
Shibasaki, Tomoka: "Frühlingsgarten" (Übersetzung aus dem Japanischen: Tan, Daniela), Bebra, Berlin 2018, ISBN 978-3-86124-921-4

1 Kommentar:

  1. Mir hat das Buch sehr gefallen. Szenen sind schon oft sehr bildlich beschrieben, was ich als besonderes Leseerlebnis bewerte. Die Handlungen sind reduziert und trotzdem ist das Buch überhaupt noch langweilig. Von dieser Autoren würde ich gerne mehr lesen.

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