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Samstag, 14. November 2015

„Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah“ von Haruki Murakami

Der Band „Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah“ vereint Haruki Murakami-Erzählungen aus dem gesamten Spektrum des Autors. Da sind zum Beispiel die fantastischen Erzählungen „TV-People“, „Das grüne Monster“ und „Der tanzende Zwerg“. Während in den ersten beiden Erzählungen die Realität der Protagonisten jäh durchbrochen wird, als ungewöhnliche Wesen in deren Alltag eintreten, spielt „Der tanzende Zwerg“ bereits in einer ganz anderen Realität. Das Motiv der „TV-People“ erinnert etwas an die „Little People“, denen der Leser im Haruki Murakami-Roman „1Q84“ begegnet.

Dann gibt es Erzählungen, die aus der Sicht eines männlichen Studenten geschrieben sind. In „Das Fenster“ und „Der letzte Rasen am Nachmittag“ machen die Ich-Erzähler über ihre Nebenjobs ungewöhnliche Frauenbekanntschaften. Während sich der Protagonist in „Das Fenster“ als Lehrer fürs Briefeschreiben verdingt und eine seiner älteren Schülerinnen eines Tags trifft, mäht der Student in „Der letzte Rasen am Nachmittag“ einen Sommer lang die Rasen seiner Kundschaft. An seinem letzten Arbeitstag kürzt er den Rasen einer etwas kuriosen Witwe.

Andere Erzählungen greifen dann wiederum das Leben von Schülern auf: In „Das Schweigen“ geht es um Mobbing an dem etwas zurückgezogenen Schüler Osawa. Aufgrund gekränkter Eitelkeit setzt ein anderer Schüler böse Gerüchte über ihn in die Welt. Fast droht der bald völlig isolierte Osawa an der Situation zu zerbrechen. In der Kurzgeschichte  „Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah“ geht es in der Binnenhandlung um ein verliebtes Schülerpärchen. Jedoch würde ich den kurzen Text eher als die sensationellste Anmachidee schlechthin bezeichnen.

In „Lederhosen“ und „Familiensache“ geht es um Änderungen in den Familiensituationen. Während es in „Lederhosen“ um eine Trennung geht, findet in „Familiensache“ ein Paar zusammen – zum Ärger des Bruders der Verlobten.

Besonders gut sind die Stimmungen gelungen, die Haruki Murakami mit wenigen und kurzen Sätzen beschreibt. So fühlt der Leser die Sommerhitze beim Rasenmähen geradezu auf der Haut prickeln, erlebt die Wut des gemobbten Schülers hautnah und er kann sogar in die phantastische Welt von „Der tanzende Zwerg“ komplett eintauchen, in der Elefanten in einer Fabrik gefertigt werden, die Menschen Metacol trinken und ein tanzender Zwerg vom Körper eines Arbeiters Besitz ergreift.

Durch die vielfältigen, aber typischen Motive ist „Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah“ sicherlich ein ideales Buch für Haruki Murakami-Einsteiger, die in den Stil des Autors erst mal nur hineinschnuppern möchten. Und für die Haruki Murakami-Fans reiht sich ein literarischer Leckerbissen an den anderen.

Bibliographische Angaben:
Murakami, Haruki: „Wie ich eines schönen Morgens im April das 100%ige Mädchen sah“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Bierich, Nora), Berlin Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-8333-0046-9

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