Hauptkommissarin Reiko Himekawa ermittelt mal wieder auf die ihr eigene intuitive Art: In einem am Flussufer abgestellten Lieferwagen findet sich eine bluttriefende, abgetrennte Hand. Der Halter des Wagens ist der Schreiner Takaoka, in dessen Garage eine enorme Blutlache aufgefunden wird. Hier muss jemand getötet worden sein.
Takaokas Ziehsohn und Gehilfe Mishima identifiziert die abgetrennte Hand eindeutig als die seines Chefs. Die Kriminalpolizei macht sich tunlichst auf die Suche nach weiteren Körperteilen, die vermutlich in den Fluss geworfen wurden. Und um die Todesursache aufzudecken und den Tathergang rekonstruieren zu können, muss der Rest des vermutlich zerstückelten Körpers gefunden werden.
Reiko wird bei den Ermittlungen leider erneut der trottelige Ioka als Partner zugeteilt, der ihr immer noch Avancen macht. Dummerweise reagiert ihr Kollege Kikuta eifersüchtig und kompliziert die ohnehin schon schwierige emotionale Lage - denn auch Reiko findet Gefallen an Kikuta, ist ihm aber vorgesetzt. Und dann ist da auch noch die Rivalität zu Hauptkommissar Kusaka, der so ganz anders tickt als Reiko.
Bei ihren Recherchen im Baugewerbe stoßen die Ermittler auf ein undurchsichtiges Geflecht aus Strohfirmen, hinter denen ein Yakuza-Clan steckt. Sowohl Reiko als auch Kusaka stochern besonders tief, denn den toten Takaoka und dessen Ziehsohn Mishima verbindet ein besonderes Schicksal, das vor über zehn Jahren seinen Lauf nahm.
Tetsuya Hondas "Stahlblaue Nacht" wird genauso wie der erste Band "Blutroter Tod" aus mehreren Erzählperspektiven dargestellt. Die Ermittlungen der Mordkommission in der dritten Person werden mit den Ich-Perspektiven von Mishima und Takaoka garniert. So ist der Leser den Ermittlern immer ein bisschen voraus und ahnt schon vor diesen, wer der Täter sein könnte.
An sich ist der Fall interessant aufgebaut, aber mit der Figur der Reiko Himekawa werde ich immer noch nicht warm. Sie wirkt einfach nicht wie die coole, toughe Kommissarin, die im Klappentext angekündigt wird. Vielmehr erinnert sie an eine unsichere, unreife Göre, die nicht sonderlich viel Professionalität an den Tag legt. Irritierenderweise wirkt die Beschreibung der Figur manchmal wie Product Placement: Sie hat eine Coach-Handtasche, trägt einen Trenchcoat von Burberry Blue Label ("Sie liebte die Farbe - ein dunkles Beige, fast braun -, und der Schnitt war einfach toll." S. 54) und für die Uhr von Longines hat sie sogar einen Kredit aufgenommen.
Da findet man den nicht sonderlich ansehnlichen Ioka, der sich gern mal zum Affen macht, wieder mal gleich viel sympathischer als die Protagonistin.
Ein bisschen seltsam mutet der Titel des Romans an, der in keinem Zusammenhang zur Handlung steht und auch nichts mit den Titel des japanischen Originals zu tun hat. Gerade mal das Wort Stahl geht in die Richtung Baugewerbe, aber der Tote ist nun mal Schreiner und eine blaue Nacht wird an keiner Stelle hervorgehoben.
Die amerikanische Veröffentlichung der Übersetzungsvorlage erfolgte ebenfalls erst dieses Jahr. Ich bin gespannt, ob ein dritter Fall der Reiko Himekawa-Reihe bei der St. Martin's Press erscheinen wird und wir daraufhin gegebenenfalls nochmals das Vergnügen mit Ioka und der Gereiztheit von Reiko haben werden. Man merkt: Ich werde wohl kaum mehr Fan der Protagonistin...
Bibliographische Angaben:
Honda, Tetsuya: "Stahlblaue Nacht" (Übersetzung aus dem Englischen: Gabler, Irmengard), S. Fischer, Frankfurt am Main 2017, ISBN 978-3-596-03667-7
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