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Sonntag, 20. März 2016

„Kirschblüten und rote Bohnen“ von Durian Sukegawa

Sentaro führt den Imbiss Doraharu, wo er lustlos Dorayaki-Pfannkuchen, die mit süßer roter Bohnenpaste gefüllt sind, verkauft. Das Rezept für die Pfannkuchen hat er von dem verstorbenen Eigentümer des Imbisses übernommen; die Paste kommt fertig aus dem Kanister.

Eines Tages steht eine alte Dame sehnsüchtig vor dem Kiosk und bewirbt sich als Aushilfe. Doch Sentaro weist sie ab – sie würde mit ihren verkrüppelten Händen die Kunden abstoßen und mit ihrer Konstitution ist es sowieso nicht weit her. Bald darauf überreicht ihm die alte Dame namens Tokue selbstgemachte Bohnenpaste. Zunächst möchte Sentaro die Paste noch nicht mal probieren und wirft sie in den Mülleimer. Doch schließlich siegt die Neugier: Die Paste zergeht sogar Sentaro auf der Zunge, obwohl er Süßigkeiten eigentlich gar nicht mag.

Und so stellt er Tokue doch ein; sie soll ihm aber nur frühmorgens dabei helfen, die Paste zu kochen und gehen, bevor die ersten Kunden eintreffen. Doch es kommt, wie es kommen muss: Tokue bleibt doch hin und wieder länger. Insbesondere die Gespräche mit den Schulmädchen, die sich gerne ein Dorayaki holen, genießt die alte Dame.

Sentaro hat nicht die leiseste Ahnung, warum Tokues Hände so verkrüppelt sind. Doch Passanten und Kunden vermuten richtig: Tokue hatte einst die Lepra. Und obwohl sich niemand mehr an ihr anstecken kann, bleiben bald die Kunden aus.

Durian Sukegawa thematisiert in „Kirschblüten und rote Bohnen“ ein grausames Stück japanischer Medizingeschichte. 1931 wurde per Gesetz beschlossen, Lepra-Kranke per Zwang legenslang zu internieren und die Männer zu sterilisieren. Die Kranken wurden aus den offiziellen Familienregistern gestrichen als ob sie nie existiert hätten. Im Lager erhielten sie dann einen neuen Phantasienamen. Erst im Jahr 1996 wurde das Gesetz aufgehoben – zu einer Zeit, als die Medizin schon längst adäquate Behandlungsmethoden kannte. Doch wie soll sich ein alter Mensch, der jahrzehntelang hinter verschlossenen Mauern gelebt hat, in der modernen Welt plötzlich zu Recht finden?

Auch wenn das Thema dazu neigen könnte, in sentimentalen Kitsch auszuarten, so hätte ich mir im Gegenteil sogar noch ein bisschen mehr Gefühl von „Kirschblüten und rote Bohnen“ gewünscht. Denn die Figuren hätten es verdient gehabt, noch ein bisschen eingehender beleuchtet zu werden. Dann wären sie dem Leser auch ein bisschen mehr ans Herz gewachsen.

Die Botschaft von Tokues Schicksal an den Leser (und natürlich an Sentaro) ist, sich an den kleinen Dingen zu erfreuen; sich an allen Facetten des Lebens zu freuen und vom Schwarz-Weiß-Denken Abstand zu halten. Insofern kommt gegen Ende des Buches doch noch ein bisschen Kitsch auf, der aber durchaus Balsam für die Seele ist.

Bibliographische Angaben:
Sukegawa, Durian: „Kirschblüten und rote Bohnen“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Gräfe, Ursula), Dumont, Köln 2016, ISBN 978-3-8321-9812-1

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