Nobuko Albery entführt mit „Das Haus Kanze“ in die Zeit der Ashikaga-Shogune im 14. und 15. Jahrhundert und in die Welt des No-Theaters: Noch führt die Familie Kanze eine unbedeutende Saragaku-Theater-Truppe in der Provinz Yamato. Doch der Vater Kiyotsugu hat ehrgeizige Pläne – er möchte die verstaubte Saragaku-Tradition mit neuen Einflüssen revolutionieren und den Ruf in die Hauptstadt erhalten, um vor dem Shogun aufzutreten. Doch es liegt ein weiter Weg vor ihm: Im eigenen Heimatdorf gelten die Schauspieler als Unberührbare, um Geld zu verdienen begeben sie sich regelmäßig auf „Schlammtour“ – sie ziehen von Ort zu Ort und spielen, wo immer es sie hin verschlägt.
Als Kiyotsugu die wilden Kuse-Tänze der Tänzerin Omina sieht, fällt es ihm wie Schuppen von den Augen: Dies ist die Inspirationsquelle, aus der er für seine Vision einer neuen Saragaku-Form schöpfen kann. Währenddessen wird sein hübscher Sohn Fujiwaka mehrmals zum „Nachtdienst“ in einen buddhistischen Orden befohlen – er soll mit dem zügellosen Abt das Bett teilen.
Kiyotsugus Theater-Auftritte sind von Erfolg gekrönt. Doch die so sehnlich erhoffte Einlandung nach Kioto bleibt aus – denn hier sind die Dengaku-Theater etabliert. Schließlich aber erhält die Kanze-Truppe doch den Ruf der Hauptstadt. Shogun Yoshimitsu ist nicht nur recht angetan von dem Saragaku-No-Theater, das bald nur noch als No-Theater bekannt sein wird, sondern auch von dem hübschen Fujiwaka, der nun in seinem Bett zum „Nachtdienst“ zur Verfügung stehen soll. So lastet bald enorm viel Druck auf Fujiwaka: Ihm obliegt es, den mächtigen und gefährlichen Shogun für die neue Theaterform günstig zu stimmen, was die intrigante Atmosphäre des Hofes ihm alles andere als erleichtert.
Als schließlich Kiyotsugu überraschend stirbt, steht Fujiwaka vor einer unlösbaren Aufgabe: Ihm fehlt die Anleitung durch den Vater; alleine kann er die Kanze-Truppe nicht führen. Zudem zweifelt er an den Stücken des Vaters, die an der Massentauglichkeit ausgerichtet sind. Wird es Fujiwaka gelingen, sich selbst und das No weiter zu entwickeln? Und welchen Preis wird er dafür zahlen müssen?
Nobuko Alberys „Das Haus Kanze“ hangelt sich an einigen historischen Tatsachen entlang, füllt den Großteil der Handlung jedoch mit eigener Imagination. Das Resultat ist ein lebendiges, spannendes Porträt einer Künstlerfamilie im Spannungsfeld von Politik und künstlerischer Weiterentwicklung. Obwohl drei Generationen der Familie Kanze dargestellt werden, wird der Roman nicht langweilig. Der Leser erfährt darüber hinaus fast schon beiläufig mehr über das No-Theater und die damaligen politischen und gesellschaftlichen Zustände.
Eine kleine Schwierigkeit besteht sicherlich darin, dass die Charaktere im Laufe der Zeit andere Namen annehmen. So wird aus Kiyotsugu Kanami, als er vom Shogun zum Künstlergefährten ernannt wird. Aus dem Jugendlichen Fujiwaka wird der Mann Motokiyo, der wiederum seinen Namen zu Zeami wechselt, als auch er Künstlergefährte des Shogun wird. Und auch die vielen Namen der Theaterdarsteller überfluten den Leser etwas.
Bibliographische Angaben:
Albery, Nobuko: „Das Haus Kanze“ (Übersetzung aus dem Englischen: Stege, Gisela), Knaur, München 2000, ISBN 3-426-61655-6
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