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Samstag, 9. Januar 2016

„Ein Frontschwein“ von Katai Tayama

Markus Rösken, der für die Übersetzung und Veröffentlichung von „Ein Frontschwein“ verantwortlich zeichnet, gibt auf Amazon an, mit seinen Übersetzungsarbeiten Werke von Autoren zugänglich machen zu wollen, die bisher noch nicht ins Deutsche übersetzt worden sind. Nun hat er sich leider für die erste Übersetzungsarbeit ausgerechnet eine Erzählung vorgenommen, die in der Anthologie „Träume aus zehn Nächten“ des Aufbau-Verlags bereits vor 40 Jahren veröffentlicht wurde. Ein bisschen leid tut mir das für den beflissenen Übersetzer. Aber schließlich ist es nicht gerade unaufwendig, sich über einzelne Erzählungen in den verschiedensten Sammelbänden einen Überblick zu verschaffen. Es bleibt aber zu hoffen, dass das nächste Werk, dem er sich annimmt, wirklich eine bisher durch die Sprachbarriere verschlossene Tür für deutsche Leser aufstößt.

Denn man sieht an „Ein Frontschwein“, dass der Übersetzer das Werk in einen Sinnzusammenhang stellen möchte: Nicht nur eine Kurzbiographie des Autors ist der Erzählung vorangestellt, sondern auch eine Einordnung der Bedeutung des Werks. So ist Katai Tayamas „Ein Frontschwein“ eine der wenigen literarischen Aufarbeitungen des Russisch-Japanischen Kriegs, die von einem Zeitzeugen, der den Krieg vor Ort erlebte, verfasst wurden. Markus Rösken schreibt zwar, Katai Tayama sei Soldat im Krieg gewesen, während man auf Wikipedia liest, er sei als Zeitungskorrespondent in der Mandschurei tätig gewesen. Wie dem auch sei…

Katai Tayama beschreibt aus der Sicht eines einfachen Soldaten (im Soldatenjargon ein sogenanntes „Frontschwein“) einen Tag nahe der Front von Liaoyang. Er ist an Beriberi erkrankt, hat die katastrophalen Zustände auf der improvisierten Krankenstation nicht mehr ertragen können und versucht gerade, auf eigene Faust zu seiner Einheit zurückzukehren. Das beweist sich jedoch bald als ein Fehler: Der Soldat ist noch bei weitem nicht gesundet. Wie im Fieberwahn hat er Visionen aus seiner angenehmen Vergangenheit in Japan, während er der völligen Erschöpfung nahe immer weiter stapft. Auch die tragischen Erlebnisse von der Front kommen ihm in den Kopf. Halt scheint er jedoch vor allem in der Erinnerung an seine Frau und an seine Kindheit zu finden. Als das bemitleidenswerte Frontschwein endlich einen Armeestützpunkt erreicht, kann der Soldat nur noch auf die Hilfe eines Arztes hoffen…

Interessant fand ich an „Das Frontschwein“ vor allem, dass die Erzählung unverhohlen Kritik am Soldatenleben äußert:

„Plötzlich dachte er, dass es nichts Grausameres gab, als die Unfreiheit des Soldatenlebens. Seltsamerweise kamen ihm jetzt überhaupt nicht mehr die Parolen von damals wie ‚Gegen ein gewöhnliches Leben!’ oder ‚Opferbereitschaft’ in den Sinn, sondern lediglich Angst brodelte in ihm.“ (Position 184f.)

Kurz schießt dem Soldaten gar die Idee des Desertierens durch den Kopf – doch dann wäre eine Rückkehr nach Japan unmöglich, da das dem sozialen Tod gleichkommen würde. So fügt er sich doch ins Unvermeidliche.

Bibliographische Angaben:
Tayama, Katai: „Ein Frontschwein“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Rösken, Markus), Kindle Edition, 2015

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